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Siebenschön

Siebenschön

Titel: Siebenschön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Winter
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lächelte. »Wenn Sie Frau Hendgen sind …«
    »Bin ich.« Sie machte eine einladende Geste. »Kommen Sie rein, Kindchen.«
    Kindchen?
    Okay …
    Nimm das nicht persönlich, mahnte ihr Verstand. Eine solche Anrede bedeutet nicht automatisch, dass man dir nichts zutraut.
    Doch in diesem Fall erwiesen sich ihre Bedenken leider zunächst als begründet. »Kripo?«, lachte die Frau, die laut Klingelschild mit Vornamen Rosalie hieß. »Lieber Gott, so sehen Sie gar nicht aus.«
    »Das muss ja nicht zwingend ein Nachteil sein«, entgegnete Zhou.
    Die Alte überlegte einen Augenblick. Dann nickte sie. »Stimmt.« Sie deutete auf eine rustikale Küchenbank. »Mögen Sie was zu trinken? Kaffee vielleicht?«
    »Nein, vielen Dank«, sagte Zhou. »Ich habe leider sehr wenig Zeit.«
    »Hm. Worum geht’s denn?«
    »Können Sie mir vielleicht etwas über die Familie erzählen, die früher in dem Haus gegenüber gewohnt hat.«
    »Noréns?« Rosalie Hendgen schob die Unterlippe vor. »Tja, die waren eine Nummer für sich. Aber es wundert mich, ehrlich gesagt, nicht, dass Sie danach fragen.« Sie lachte wieder, als sie Zhous verdutztes Gesicht sah. »Ich kenne die Menschen ganz gut, wissen Sie. Hab lange in einem Laufhaus gearbeitet, erst als Aktive und dann viele Jahre hinter der Bar. Da lernen Sie die Leute einschätzen.«
    Zhou musste sich arg zusammennehmen, ihr Gegenüber nach diesem freimütigen Bekenntnis nicht allzu offensichtlich anzustarren. Eine Exprostituierte? Darauf wäre sie nie im Leben gekommen!
    Die Alte schien ihre Gedanken zu erraten und gluckste. »Wie Sie eben ganz richtig bemerkten, ist es nicht immer von Nachteil, wenn man einer Frau nicht all ihre Kompetenzen auf Anhieb ansieht.« Sie zwinkerte verschmitzt. »Aber ich will Ihre Zeit nicht verschwenden und mach’s kurz: Ich bin hier im Ort geboren, und darum bin ich auch wieder hergezogen, als ich mit dem Beruf Schluss gemacht habe. Mein Elternhaus war natürlichschon lange verkauft, also musste ich mir was anderes suchen. Und das hier stand leer.« Sie sah sich in ihrer eigenen Küche um, als sähe sie sie zum ersten Mal. »Mir gefiel die Lage, so dicht am Wald und quasi mitten in der Natur. Also hab ich das Haus genommen.«
    Zhou dachte an Marius Noréns Foto, das sie aus seiner Hainaer Akte hatten, und stellte sich vor, wie er in etwas zu knappen Hosen durch den nahen Wald streifte. Nicht ziellos wie andere Jungen, die mit einem Stöckchen in der Hand auf der Suche nach einer Fährte oder ein paar wilden Brombeeren durchs Unterholz schlendern. Sondern hoch aufgerichtet, mit sicheren Schritten. Voll neugieriger Entschlossenheit und einen erfolgreichen Doppelmord im Gepäck.
    »Hat die alte Frau Norén noch gelebt, als Sie hergezogen sind?«
    »Ja, aber sie war damals schon arg gebrechlich. Hätte eigentlich gar nicht mehr alleine wohnen dürfen, so klapprig wie die war.«
    »Was ist mit ihrem Enkel?«, nutzte Zhou die Chance, das Gespräch in die Richtung zu lenken, die für sie von Interesse war. »Hat der sich denn nicht um sie gekümmert?«
    »Marius?« Ihr Gegenüber stieß ein verächtliches Lachen aus. »Ach was. Der kam doch immer nur, wenn er Geld brauchte. Ich hab ihn mir sogar mal geschnappt und gefragt, ob er nicht auch der Meinung wäre, dass seine Oma in einer Seniorenresidenz besser aufgehoben wäre als in dem modrigen alten Kasten da drüben. Aber davon wollte er natürlich nichts hören.«
    »Vielleicht waren ihm die Kosten zu hoch«, wagte Zhou einen Schuss ins Blaue.
    Doch Rosalie Hendgen wischte dieses Argument mit einer knappen Geste vom Tisch. »Nee, Schätzchen. Geld war da drüben nie ein Problem. Auch wenn’s da noch so abgewrackt aussieht.« Ihre Fingernägel waren in knalligem Rot lackiert, das an einigen Stellen bereits wieder abblätterte. »Die Martha, also die alte Frau Norén, ist schon immer ein Fuchs gewesen. Sie stammteaus ’ner Schaustellerfamilie und zauberte bündelweise Bargeld ausm Ärmel, wenn’s nötig war.«
    »Vielleicht war sie diejenige, die hier nicht wegwollte«, mutmaßte Zhou.
    »Möglich«, räumte Rosalie Hendgen ein. »Sie war verdammt eigensinnig. Und irgendwie auch verbittert. Hat nie viel geredet oder so.«
    »Und Marius war ihr einziger Verwandter?«
    »Soweit ich weiß. Kathrin, die Tochter, ist ja früh gestorben. Und ob’s da überhaupt mal einen Schwiegersohn gab …« Sie drehte skeptisch den Kopf. »Hab ich jedenfalls nichts von gehört.«
    Doch, hielt Zhou ihr in Gedanken entgegen. Den gab

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