Siebenschön
sich auf ein dunkelblaues Ledersofa, das eher abweisend als gemütlich wirkte. »Ich will Sie auch gar nicht lange stören. Aber ich muss Sie noch etwas zu unserem Gespräch von neulich fragen.«
Dabei habe ich doch fast nur mit deiner Kollegin gesprochen, spotteten die wachen Mandelaugen. »Ja?«
»Diese Sache, die Ihrer Schwester damals passiert ist … Mit wem haben Sie darüber geredet?«
Raya Hosseini lachte. »Was glauben Sie denn?«
»Verstehen Sie mich bitte nicht falsch«, entgegnete Zhou, und schon wieder hatte sie das unbequeme Gefühl, dass sie sich rechtfertigte. »Ich habe Sie gegoogelt. Aber im Internet erscheint nichts über die Geschichte von damals. Nichts über den Tod Ihrer Schwester und auch nichts über den Unfall Ihrer Eltern. Und Ihr Facebook-Profil verrät ebenfalls nichts darüber.«
»Natürlich nicht.« Raya Hosseinis Augen waren zwei schwarze Spiegel. »Würden Sie so was mit Ihren virtuellen Freunden teilen?«
»Nein«, sagte Zhou. »Würde ich nicht. Und genau das ist der Punkt.«
Ein fragender Blick.
»Jenny Dickinsons Mörder wusste das von Ihrer Schwester«, erklärte Zhou. »Die Frage ist, von wem.«
Und plötzlich verstand sie. Ihre Miene wurde finster, während sie nachdachte. »Ich bin nicht besonders gesellig«, begann sie nach einer Weile.
Das hätte ich auch nicht erwartet, dachte Zhou.
»Aber ich weigere mich auch, mich als traumatisiert zu begreifen.«
»Verstehe ich.«
Raya Hosseini senkte den Blick. Doch Zhou hatte nicht das Gefühl, dass sie ausweichen wollte. Vielmehr schien sie das, was ihr in den Sinn kam, zunächst einer genauen Prüfung unterziehen zu wollen, bevor sie es mit ihrer Besucherin teilte. »Wir hatten da mal so ein Seminar bei uns am Institut«, sagte sie, als sie sich sicher war. »Es gehörte nicht in den normalen Lehrplan, aber der Dozent war ein Bekannter unseres Professors, und die Teilnahme wurde uns dringend nahegelegt, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
Zhou lächelte. »Durchaus.«
»Inhaltlich ging es dabei um Persönlichkeitstypen. Wer man ist, wie man wirkt, wie man mit Schwierigkeiten umgeht und all das.« Sie verdrehte die Augen. »Kurz gesagt, diese typische Selbstfindungsscheiße, die sie uns als Praxisnähe verkaufen.Noch dazu reichlich spirituell angehaucht und so gesehen schon mal gar nicht mein Ding. Aber wie gesagt, konnte ich mich der Sache auch nicht einfach entziehen …«
»Und bei dieser Gelegenheit haben Sie von dem Unfall Ihrer Schwester erzählt?«
Wieder dieses Lachen. Halb amüsiert, halb sarkastisch. »Bei so was haben Sie die Wahl, über ein aktuelles Thema zu reden und damit mehr über Ihre gegenwärtige Situation zu verraten als Ihnen lieb ist. Oder aber Sie erzählen eine Geschichte aus Ihrer Vergangenheit, von der Sie weit genug entfernt sind, dass Sie sich keiner Gefahr aussetzen, die jedoch bei den anderen den Eindruck erweckt, dass Sie noch immer daran zu knabbern haben.«
Automatisch musste Zhou an etwas denken, das Sander Westen über Marius Norén gesagt hatte: Er war viel zu raffiniert für die Standardfragen und spielte trotz seines jungen Alters Katz und Maus mit allen, die es zuließen … Etwas, das sie Raya Hosseini ohne Weiteres auch zutraute. »Und Sie entschieden sich für die letztere Möglichkeit?«
Sie nickte. »Ich erntete eine ganze Menge Mitgefühl und noch mehr gute Ratschläge.«
»Gab es irgendwen, der ein besonderes Interesse an Ihrer Geschichte zeigte?«
Sie hatte mit der Frage gerechnet. Trotzdem ließ sie sich Zeit mit ihrer Antwort. Etwas, das Zhou gefiel. »Ich bin nicht sicher … Aber wenn Sie mich so fragen, glaube ich, dass es tatsächlich jemanden gab, der besonders genau hinhörte.« Ihre Augen wanderten zum Fenster, hinter dem bereits wieder die Dämmerung anbrach.
»Wen?«
»Er ist Doktorand, glaube ich. Jedenfalls ein ganzes Stück weiter als ich.«
»Und sein Name?«
»Marius.«
Zhou hatte das Gefühl, dass ihr Herzschlag aussetzte.
»Marius Kutscher. Wir haben nie irgendwelche Kurse zusammen gehabt, weil er eigentlich schon fertig ist. Aber er macht gerade seinen Doktor, wie gesagt.«
»Wer betreut seine Dissertation?«, fragte Zhou. »Ihr Professor?«
Sie nickte. »Ja, ich glaube schon. Professor Hörne.«
Zhou notierte den Namen. »Können Sie mir sonst noch irgendwas über Marius Kutscher verraten?«
Raya Hosseini verzog die Lippen. »Ja.«
»Nämlich?«
»Ich mag ihn nicht.«
5
»He, Capelli, du hast Besuch!«
Em ließ ihre Maus los und
Weitere Kostenlose Bücher