Siebenschön
Jude ist und mit Vornamen Theo heißt.«
»Ach du Scheiße!«
Ihre Direktheit entlockte ihrem Boss ein nachsichtiges Schmunzeln. »Ich hätt’s nicht besser ausdrücken können …«
»Todesursache?«
»Nach allem, was ich bislang gehört habe, wurde er erschossen. Aller Wahrscheinlichkeit nach bereits gestern Abend.« Er lehnte seinen massigen Körper gegen die Kante von Ems Schreibtisch. »Seine Angestellte hat ihn gefunden, als sie heute früh wie gewöhnlich zur Arbeit kam. Sie hat einen Schlüssel.«
»Ist sie noch dort?«
Er nickte. »Sie wartet darauf, mit Ihnen zu sprechen.«
»Dann mal los!«, rief Em und schnappte ihre Jacke.
Ihr Dienstwagen war seit über einem Jahr ein dunkelblauer Audi A 6, dem sie eher routiniert als freundschaftlich verbunden war. Immerhin verfügte er über akzeptable 225 PS, die Em, je nach Lage der Dinge, auch durchaus auszureizen verstand. Überhaupt fuhr sie viel und gern, Auto genauso wie Motorrad. Doch zu Letzterem war sie schon lange nicht mehr gekommen.
Obwohl sie die Route kannte, fütterte sie das Navi mit der Adresse, die Makarov ihr gegeben hatte, und folgte den Anweisungen der elektronischen männlichen Stimme. Erst kurz vor dem Ziel fiel ihr auf, dass sie Zhou gar nicht erst gefragt hatte, ob sie vielleicht selbst fahren wolle. Dabei hatte sie nicht einmal Hansen bei dieser Frage einfach übergangen …
»Hat man Ihnen eigentlich schon einen Autoschlüssel ausgehändigt?«, erkundigte sie sich betont beiläufig.
Anstelle einer Antwort hielt Zhou ein Ledertäschchen mit dem Banner des Präsidiums hoch.
»Oh.« Em biss sich auf die Lippen. Verdammt! »Möchten Sie fahren?«
Zu ihrer Überraschung fing Zhou auf einmal an zu lachen. »Sie meinen jetzt sofort?«
»Zum Beispiel …«
»Nein, danke. Sehr nett, dass Sie fragen.«
Na, das war ja dann wohl ironisch gemeint!
Wütend schaltete Em einen Gang herunter. Ihr Vordermann hätte eigentlich genauso gut zu Fuß gehen können! Sie sah in den Rückspiegel, doch auf der linken Spur war einfach kein Durchkommen. Also hieb sie zweimal kurz und aggressiv auf die Hupe ein, freilich ohne damit auch nur den geringsten Effekt zu erzielen.
»Ich hatte bislang noch keine Gelegenheit, Ihnen das zu sagen«, begann Zhou neben ihr unterdessen ein wenig umständlich. »Aber das mit Ihrem Kollegen tut mir wirklich leid.«
Em brauchte einen Augenblick, um zu verstehen, wovon sie sprach. Trotzdem fragte sie zur Sicherheit: »Was meinen Sie?«
»Ihr Freund wollte den Job, den ich jetzt habe.«
»Er ist nicht mein Freund«, versetzte Em und kam sich, kaum dass der Einwand heraus war, wie ein albernes Schulmädchen vor.
Zickenkrieg , höhnte ein imaginärer Decker in ihrem Kopf. »Jedenfalls nicht so.«
»Nicht … wie?«
Em war sicher, dass Zhou sie ganz genau verstanden hatte. Trotzdem sagte sie: »Wir sind nicht zusammen, Tom und ich.«
Das hatte ich auch gar nicht angenommen , versetzten die undurchdringlichen schwarzen Augen.
Klar, dachte Em. Vermutlich hatten ihre Teamkollegen den Neuling längst mit allen nötigen und unnötigen Hintergrundinformationen versorgt: Wer seit wann mit wem zusammen war. Wer mit wem konnte oder nicht konnte. Wo es kriselte, wer die Nase vorn hatte, vor wem man sich in Acht nehmen musste. Solche Dinge verbreiteten sich schneller, als man gucken konnte. Und Em war völlig klar, dass gerade über ihr Privatleben in letzter Zeit die wildesten Spekulationen im Umlauf waren. Automatisch musste sie wieder an den gelben Haftzettel denken, der gestern an ihrem Bildschirm geklebt hatte. DieNachricht, dass Benjamin schon wieder versucht hatte, sie zu erreichen.
Er sagt, du rufst ihn nie zurück …
»Wie auch immer, mir tut das Ganze jedenfalls aufrichtig leid«, holte Zhous sonore Stimme sie abrupt ins Hier und Jetzt zurück. »Nach allem, was ich höre, hätte er den Job mehr als verdient.«
»Ja«, entgegnete Em, die ein paar Sekunden brauchte, um zu verstehen, dass ihre Partnerin noch immer über Tom Ahrens sprach. Nicht über Benjamin von Treskow. »Das hätte er allerdings.«
Zhou wandte den Kopf und blickte ihr von der Seite direkt in die Augen. »Haben wir ein Problem deswegen?«
Angesichts dieses Frontalangriffs hätte Em um ein Haar das Steuer verrissen. »Was denn, wir beide?«
»Ja.«
»Warum sollten wir?«
Abbiegung rechts vor Ihnen …, sagte die erlösende Navistimme.
Zhou sagte nichts.
Em seufzte und folgte den Anweisungen des Geräts, die sie direkt vor die Tür von Theo
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