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Siebenschön

Siebenschön

Titel: Siebenschön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Winter
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Papierchen gewickelt, auf deren Innenseiten asiatische Sinnsprüche standen.
    »Elendes Biest«, fluchte Em, als sie sich auf dem Weg von der U-Bahn-Station ins Büro den ersten davon in den Mund schob. Jemandem etwas schmackhaft machen war eine Redensart, die sich ihr in dieser Situation förmlich aufdrängte. Und die kleinen, schokoladenüberzogenen Kugeln waren tatsächlich einfach nur köstlich!
    Folgerichtig war sie bereits bei Nummer vier, als sie wenig später den größeren der beiden Konferenzräume ihrer Abteilung betrat.
    Wenn der Wind der Erneuerung weht , stand auf der Rückseite des Einwickelpapiers, dann bauen die einen Menschen Mauern und die anderen Windmühlen …
    »Ha!«, stieß Em hervor. »Wenn das mal keine Absicht war!«
    Sven Gehling hob irritiert den Blick vom Bildschirm seines Laptops. »Was?«
    »Nichts«, antwortete sie und warf das zusammengeknüllte Papier kurzerhand in den Mülleimer neben dem Eingang.
    »Morgen«, rief Decker, der in diesem Moment ebenfalls hereinkam.
    »Ja«, murrte Em. »Du mich auch …«
    »Was sind wir heute wieder guter Laune!«
    Sie warf ihm einen Blick zu, der ihn immerhin zum Schweigen brachte. »Und?«
    »Was und?«
    »Wie weit sind wir mit unserem Opfer?«
    »Sie ist identifiziert.«
    »Tatsächlich?« Sie war überrascht. »Nun doch so schnell?«
    »Die Kollegen von der Spurensicherung haben ihr Portemonnaie gefunden«, erklärte er. »Es lag in einem der Müllcontainer auf dem Gelände. Ungefähr dreihundert Meter Luftlinie vom Tatort entfernt.«
    »Dann wollte der Täter, dass wir es finden«, konstatierte Em und verstrubbelte beidhändig ihre Haare, die durch die Mütze völlig zerdrückt waren.
    »Ja, davon muss man wohl ausgehen.« Er ließ sich auf einen der Stühle fallen. »Zhou telefoniert gerade mit dem Freund der Frau. Er ist Börsenmakler, aber augenblicklich wohl auf Reisen.«
    Em warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. Trotz der Plänkelei mit Trudi war es noch nicht mal halb neun. Mai Zhou war verdammt früh dran, das musste man ihr lassen.
    »Sie ist vor ’ner Viertelstunde gekommen«, erklärte Decker, und in ihren sensiblen Ohren klang es fast, als ob er sie trösten wollte. Ein Umstand, der sie nur noch mehr aufbrachte.
    »Möchte jemand Schokolade?«, fragte sie, indem sie Trudis Schachtel in die Mitte des Tisches schleuderte.
    »Gern«, rief Decker und griff beherzt zu.
    Mit gerunzelter Stirn beobachtete sie, wie er einen Trüffel auswickelte und angesichts des beschrifteten Papiers erstaunt die Brauen hochzog. Doch er kam nicht mehr dazu, seinen Sinnspruch vorzulesen, weil Sven Gehling just in diesem Augenblick ein Passfoto der Toten auf die Leinwand an der Schmalseite des Zimmers projizierte.
    »Ihr Name ist Jenny Dickinson. Vierunddreißig Jahre alt und gebürtige US-Amerikanerin. Allerdings hat sie schon seit achtzehn Jahren hier in Deutschland gelebt.«
    Em kniff die Augen zusammen und versuchte, das hübsche, aber alles in allem recht nichtssagende Gesicht auf dem Foto mit der geschundenen Leiche in Verbindung zu bringen, die Christina und Michael Höffgen am Abend zuvor in der ausrangierten Kühltruhe entdeckt hatten.
    »Sie kam ursprünglich als Au-pair-Mädchen her, verliebte sich und blieb gleich da«, fuhr Gehling fort. »Eine frühe Ehe mit einem hochdekorierten Bundeswehrsoldaten bescherte ihr die deutsche Staatsbürgerschaft. Anschließend ließ sie sich von ihrem Mann noch das Studium bezahlen, und als sie fertig war, schickte sie ihn in die Wüste und eröffnete eine eigene Praxis.«
    »Eine Praxis?«, fragte Em neugierig. »Ist sie Ärztin?«
    »Psychologin.«
    Aus irgendeinem Grund war Em erstaunt. »Dann sollten wir vielleicht als Erstes ihre Patienten checken. Vielleicht hat einer von denen ein entsprechendes Potenzial.«
    Gehling grinste. »Laut Auskunft ihrer Website war Jenny Dickinson spezialisiert auf Paartherapie und Eheberatung.«
    »Na und?«, gab Em zurück. »Das schließt doch wohl nichtaus, dass sich der eine oder andere Psychopath bei ihr rumgetrieben hat, oder?«
    »Puuuh«, stöhnte Decker entnervt, »kriegst du deine Tage, oder was ist los?«
    Im harten Licht der Energiesparbirnen wirkten Ems Augen an diesem Morgen beinahe wie Bernstein, obwohl sie von Natur aus grünbraun waren. »Sag du noch mal was von frauenfeindlich!«
    »Beruflich war Jenny Dickinson übrigens eher Durchschnitt«, versuchte Gehling wenig erfolgreich, der gereizten Stimmung ein paar nüchterne Fakten entgegenzusetzen. »Ihre

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