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Siebenschön

Siebenschön

Titel: Siebenschön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Winter
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hatte, wollte, dann würde sie auch in der Lage sein, ihm ein Angebot zu machen.
    Kämpfen und Handeln – nur das konnte einen retten, wenn der Laden so richtig in Flammen stand. Eines der wenigen Dinge, die sie von ihrem verstorbenen Mann gelernt hatte.
    Kämpfen und Handeln …
    Sie sah Eberhard förmlich vor sich, in einer Krisensituation, mit einer neuen Strategie. Die Lippen aufeinandergepresst, das markante Gesicht in Falten gelegt, entschlossen. »Es kommt einzig und allein auf deine innere Einstellung an«, hatte er immer gesagt. »Du musst es wollen. Dann erreichst du es auch. Verstehst du? Tief in dir drin darf es kein Wenn und kein Aber geben. Nicht die leiseste Spur. Sonst kannst du die ganze Sache von vornherein vergessen.«
    Sie hielt erschrocken inne, als eine plötzliche Assoziation durch ihre Gedanken zuckte, taghell und scharfkantig wie ein Blitz. Ihre Pupillen weiteten sich in grenzenlosem Erstaunen, und automatisch suchten ihre Augen wieder die Kamera hinter dem Neonlicht.
    »Manuel?«, flüsterte sie ungläubig. »Manuel, bist du das?«
9
    Rund elf Kilometer Luftlinie von Sarah Kindles Gefängnis entfernt stand Em vor der Tafel mit den Tatortfotos und starrte Lina Wöllners zertrümmerten Schädel an. »Diese Tableaus«, murmelte sie kopfschüttelnd, »woran, zum Teufel, erinnern mich die?«
    Decker trat neben sie und hielt ihr einen Becher Automatenkaffee hin. »Du denkst, der Täter ahmt etwas oder jemanden nach?«
    »Ich bin nicht sicher, ob nachahmen das richtige Wort ist«, entgegnete sie und nahm dankbar einen Schluck von ihrem Kaffee. »Aber ich habe das Gefühl, dass mir die Szenarien seiner Morde irgendwie bekannt vorkommen.«
    »Du meinst so wie in ›Copykill‹?«
    Sie knuffte ihn in seinen muskulösen Oberarm. »Ich mein’s ernst!«
    »Aber so was wie das hier …«, sein Zeigefinger tippte auf ein Foto, das Jonas Tidorf mit durchstochener Kehle und verbrühtem Gesicht zeigte. »Das wäre dir doch wohl kaum entfallen, wenn du’s schon mal gesehen hättest, oder?«
    Stimmt, dachte Em. Trotzdem lösten die Bilder tief in ihr so etwas wie eine Assoziation aus. Doch wann immer ihr Verstand danach greifen wollte, zog sich die Erinnerung wieder in die Tiefen des Unbewussten zurück. »Es steckt ein Muster hinter all dem.« Sie fuhr sich gedankenverloren durch die Haare. »Aber wir sehen es nicht. Und solange wir es nicht sehen …« Sie brach ab und verschränkte frustriert die Arme vor der Brust.
    »Du solltest mal ’ne Pause einlegen«, stellte Decker fest.
    »Jaja …«
    »Hey, ich hab ’ne Idee. Wie wär’s mit ’nem schönen kühlen Bier im Penny Lane?« Er grinste. »Ich würde dich ausnahmsweise auch einladen …«
    »Lieb von dir. Aber mir ist heut nicht danach, okay?«
    »Hast du Angst, dass wir Ahrens begegnen?«
    Sie starrte ihn an. Dachte er das wirklich?
    »Moment! So war das nicht gemeint.« Decker hob abwehrend die Hände. »Ich wollte damit nur sagen, dass du kein schlechtes Gewissen zu haben brauchst. Ich meine, es war doch ganz offensichtlich, dass du nicht gefragt worden bist. Und keiner, der dich kennt, käme auf die Idee, dass du dir ausgerechnet ’ne Frau als Partnerin aussuchen würdest.«
    Sie wusste, er meinte es gut. Deshalb verzichtete sie ganz bewusst auf einen bissigen Kommentar und lächelte ihn an. »Schon gut.«
    »Also, was ist jetzt mit dem Bier?«
    »Ein andermal gern.«
    »Wie du meinst.« Er nahm seine Jacke vom Stuhl und zog sich an. »Mach aber nicht mehr so lange, hörst du? Du musst auch mal schlafen.«
    »Klar.«
    »Und vielleicht kommst du ja doch noch auf ’n Sprung rüber.«Decker warf einen Blick auf die Uhr, die bereits halb zehn zeigte. »Überleg’s dir!«
    »Okay. Bis dann.«
    Ihr Kollege hob grüßend die Hand und schob ab.
    Em blickte zu Makarovs Büro hinüber, wo ebenfalls noch Licht brannte. Dann wandte sie sich wieder den Fotos der Opfer zu. Eine Exprostituierte, die ihre Mutter auf dem Gewissen hatte. Ein kaufmännischer Angestellter, der Fahrerflucht beging. Ein Student, der seine schwangere Freundin zur Abtreibung nötigte. Und eine tote Psychologin, der sie – zumindest bislang – keine wie auch immer geartete Schuld nachweisen konnten. Aber was hieß das schon? Vielleicht hatten sie in Jenny Dickinsons Fall einfach noch nicht tief genug gegraben. Ihre Augen glitten weiter zu den Aufnahmen der Tatorte. Alle vier Opfer waren auf unterschiedliche Weise getötet worden. Und bei allen hatte der Täter völlig

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