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Siebenschön

Siebenschön

Titel: Siebenschön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Winter
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Gelegenheit mit irgendeinem magersüchtigen Teenager in die Kiste hüpfen, stimmt’s?«
    »Herrgott, Em, ich war total betrunken.«
    »Und?« Sie machte einen Schritt auf ihn zu. »Bedeutet das im Umkehrschluss, dass du dein Leben lang nüchtern bleibenmüsstest, um für dich und deine Gefühle garantieren zu können?«
    Er schüttelte den Kopf. »So kannst du das nicht sehen.«
    »Ach nein?«
    »Hör zu, Em, ich habe dich verletzt. Und ich …«
    »Nein«, unterbrach sie ihn in harschem Ton. »Du hast was viel Besseres getan als das: Du hast mir die Augen geöffnet! Und genau genommen müsste ich dir sogar dankbar sein dafür, dass ich jetzt weiß, mit was für einer Art von Kerl ich da …«
    »Gib mir eine Chance«, flehte er, und je länger sie ihn betrachtete, desto mehr fand sie, dass er tatsächlich angegriffen aussah. Rund um seine Augen lagen tiefe Schatten, und selbst sein Haar wirkte nicht ganz so voll und dunkel wie sonst. »Verdammt, Em, wir machen alle mal einen Fehler.« Er zögerte, bevor er mit geradezu selbstmörderischer Ehrlichkeit hinzusetzte: »Sogar du.«
    Sie lachte höhnisch auf. »Du hast recht«, rief sie. »Ich bin meilenweit entfernt davon, unfehlbar zu sein. Der einzige Unterschied zwischen dir und mir ist, dass ich niemanden betrüge, der mir wichtig ist. Und weil du das ein wenig anders hältst, machst du deine Fehler in Zukunft allein. Oder mit deinem Teenie-Schnuckelchen. Oder …«
    »Aber ich kann …«, setzte er an.
    Doch sie brachte ihn mit einer knappen Geste zum Schweigen. »Weißt du, was dein größtes Problem ist?«
    Seine Miene wurde steinern. »Nein, sag’s mir.«
    »Dein größtes Problem ist nicht die Lügerei. Und auch nicht dein Appetit auf andere Frauen.« Sie sah ihm direkt in die Augen. »Dein größtes Problem ist, dass du nicht bereit bist, die Konsequenzen zu tragen für das, was du tust.«
    Sie hatte den Eindruck, dass ihre Antwort ihn wütend machte. Die Haut um seinen Mund wurde blass, und irgendwo tief in seinen Augen leuchtete etwas auf, das sie bislang nicht an ihm gekannt hatte. Sie vermochte es nicht einzuordnen, das Einzige, was sie wusste, war, dass es ihr nicht gefiel.
    »Was erwartest du von mir?«, fuhr er auf. »Soll ich vor dir auf die Knie fallen? Ist es das, was du willst? … Na schön, bitte sehr, von mir aus! Wenn du Spaß daran hast.« Er schlug seinen Mantel zurück und ließ sich ohne Zögern aufs rechte Knie sinken. »Ich bin ein Idiot und bitte dich aus tiefstem Herzen um Vergebung, Emilia Capelli.«
    Sie blickte nervös über die Schulter. Abgesehen davon, dass ihr seine Theatralik zutiefst zuwider war, war das hier einfach nicht der Ort für solche Spielchen! Die Sekretärinnen waren ja Gottlob schon alle im Feierabend. Aber was, wenn die Putzfrau plötzlich hereinkam? Oder sonst irgendwer? Sie strich sich verärgert eine Haarsträhne aus der Stirn. Sie hatte, verdammt noch mal, lange genug gebraucht, um sich den Respekt zu erarbeiten, den ihr die Kollegen heute entgegenbrachten. Das würde sie sich unter keinen Umständen kaputtmachen lassen!
    »Hör auf der Stelle auf mit dem Quatsch und steh auf!«, fuhr sie ihren Exfreund an. »Na los!«
    »Wieso?«, gab Treskow zurück. »Es ist mir ernst.«
    »Und wenn schon! Das gehört nicht hierher, okay? Das ist privat!«
    »Fein, dann reden wir zu Hause weiter.«
    »Den Teufel werden wir!« Sie bekam seinen Arm zu fassen. »Geh dahin zurück, wo du hergekommen bist, und lass mich endlich in Ruhe!«
    Sein Gesicht wurde rot. Eine gefährliche Mischung aus Wut und Trotz. »Ich denke gar nicht dran!«
    »Benjamin!« Sie umrundete ihn und versuchte, ihn auf die Beine zu zerren und Richtung Tür zu schieben. »Es reicht! Ein für alle Mal! Du verlässt jetzt sofort diesen Raum und hörst auf, dich in mein Leben einzumischen!«
    »Oder was?«, schrie er sie an.
    »Oder ich werde dich …« Sie unterbrach sich und runzelte die Stirn. »Was ist?«, fragte sie.
    Seine Augen hatten binnen eines Sekundenbruchteils einen völlig anderen, beinahe erschreckten Ausdruck angenommen.Und erst mit einiger Verzögerung wurde Em klar, dass er nicht sie ansah, sondern auf einen Punkt in ihrem Rücken starrte. Dorthin, wo die Kabinen waren.
    »Entschuldigung«, hörte sie Mai Zhous Stimme hinter sich. »Es war nicht meine Absicht, Sie … Ich meine, ich wollte nicht stören.«
    »Keine Sorge, Sie stören nicht«, entgegnete Em mit aller Würde, die sie in dieser absolut entwürdigenden Situation noch zustande

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