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Siebenschön

Siebenschön

Titel: Siebenschön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Winter
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unterschiedliche Accessoires zurückgelassen.
    Sie kippte den Rest ihres Kaffees hinunter und zog ihr Handy aus der Hosentasche. Trotz der späten Stunde saßen noch immer zahlreiche Kollegen vor ihren Bildschirmen und versuchten, Informationen zu beschaffen. Informationen, die vielleicht Zusammenhänge aufzeigten. Die halfen bei der Suche nach dem Monster, das irgendwo da draußen herumlief und vielleicht bereits sein nächstes Opfer im Visier hatte.
    Em trat auf den Flur hinaus und durchforstete ihr Adressbuch einmal mehr nach Tom Ahrens’ Nummer. Sie hatte bereits mehrfach versucht, ihn zu erreichen. Aber er meldete sich nicht. Und obwohl sie ihre Nummer ganz bewusst nicht unterdrückte, rief er nicht zurück.
    Auf dem Gang neben den Umkleideräumen standen zwei monströse Trinkwasserspender aus Edelstahl. Warum es gleich zwei waren, wusste niemand so genau, doch irgendwo an höherer Stelle war man offenbar der Meinung, dass reichliches Trinken die Konzentrationsfähigkeit und Denkleistung der hier arbeitenden Beamten fördere – koste es, was es wolle.
    Em benutzte die Spender selten, zumal sie nicht die geringsteLust hatte, alle fünf Minuten auf die Toilette zu rennen. Doch jetzt riss sie tatsächlich einen Plastikbecher aus der Halterung und nahm einen Schluck Wasser, einzig und allein, um das Unvermeidliche noch ein paar lächerliche Sekunden aufzuschieben.
    Auf dem Display blinkte bereits Tom Ahrens’ Handynummer.
    Hast du Angst, dass wir Ahrens begegnen? , stichelte Decker hinter ihrer Stirn.
    Sie schüttelte den Kopf, aber wenn sie ehrlich war, war sie keineswegs sicher. Als der Becher leer war, atmete sie tief durch und drückte auf die Taste mit dem grünen Hörer. Jeder einzelne dieser Anrufe kostete sie echte Überwindung, doch leider meldete sich auch jetzt sofort wieder die verhasste Mailbox zu Wort.
    »Hi, Tom, ich bin’s, Em«, entschied sie sich spontan, dieses Mal wenigstens eine Nachricht zu hinterlassen. »Hör zu, ich würde dir gern ein paar Dinge erklären, aber leider erreiche ich dich nie …« Mein Gott, wie hölzern das klang! Sie seufzte. »Rufst du mich einfach mal zurück? Ganz egal, wann, ja? Ich … Ach, Scheiße, du weißt genau, dass … Es tut mir leid, ehrlich …« Sie merkte, wie ihr die Tränen kamen, und unterbrach hastig die Verbindung.
    Dann wischte sie sich mit grimmiger Entschlossenheit über die Augen und stieß die Tür zur Damentoilette auf.
    Dort wäre sie um ein Haar in Ohnmacht gefallen vor Schreck über die hochgewachsene Gestalt, die mit dem Rücken an einem der beiden Waschtische lehnte.
    »Scheiße!«, rief sie entgeistert. »Was in drei Teufels Namen tust du denn hier?«
    »Tut mir leid, dass ich einfach so reinschneie«, entgegnete Benjamin von Treskow ohne jeden Anflug von Reue. »Aber du rufst mich nie zurück und …« Er kniff die Augen zusammen. »Hey, weinst du?«
    »Blödsinn«, fauchte Em und rupfte wütend ein Papiertuch aus dem Spender neben dem Becken. »Weshalb, um Gottes willen, sollte ich heulen?«
    »Keine Ahnung.«
    »Ich hab viel am Bildschirm gesessen, okay?«
    »Klar.« Er hob entschuldigend die Hände. »Können wir reden?«
    »Worüber?«
    »Über uns.«
    »Da gibt es nichts zu reden«, versetzte sie mit aller Kühle, die sie zustande brachte. »Wir sind fertig miteinander. Akzeptier das einfach.«
    Sie drehte sich weg und warf einen Blick in den Spiegel. Verdammt, dachte sie, ich sehe wirklich total verheult aus. Verheult und müde.
    »Das kann ich nicht.«
    Sie brauchte einen Moment, um seine Antwort einzuordnen.
    Ich kann nicht akzeptieren, dass wir miteinander fertig sind.
    »Wieso nicht?«, fragte sie.
    »Weil ich das, was uns verbindet, nicht so einfach über Bord werfen möchte.«
    Sie schenkte ihrem Spiegelbild ein verächtliches Lächeln und drehte sich dann wieder zu ihm um. »Einfach ist gut!«
    »Ich gebe zu, ich habe einen Fehler gemacht …«
    »So also nennst du das?« Er wollte Dresche? Fein. Die konnte er kriegen. Sie war gerade in der richtigen Stimmung dafür! »Vielleicht solltest du das deinem Schnuckelchen mal stecken. Dass sie ein Fehler ist, meine ich. Das wird sie bestimmt freuen.«
    »Verdammt, Em, ich liebe dich.«
    »Natürlich«, sagte sie, und ihr Kopf war mit einem Mal ganz klar. Etwas, auf das sie in einer Situation wie dieser wirklich stolz war. Sie konnte klar denken. Sie hatte sich im Griff. Sich und ihre Emotionen. »Du liebst mich von ganzem Herzen. Deshalb musstest du ja auch bei der erstbesten

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