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Siebenschön

Siebenschön

Titel: Siebenschön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Winter
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dunkelgrauer Ford Focus, war unterdessen auf einem Parkplatz an der Park-und-Ride-Station Kalbach aufgetaucht. Man hatte denWagen genauestens unter die Lupe genommen, doch der Täter hatte sich auch dort keinerlei Blöße gegeben. Es fanden sich keine Spuren, die nicht einem Mitglied der Familie oder irgendwelchen Schulkameraden der Kinder hätten zugeordnet werden können. Und es gab auch keinen Versuch einer Kontaktaufnahme, keine verdächtigen Anrufe nach Lina Wöllners Verschwinden und keine Zeugen, die irgendetwas beobachtet hatten.
    Zu Alois Berneck hatte Decker einen Unfall ausgegraben, bei dem vor etwas mehr als drei Jahren ein Obdachloser zu Tode gekommen war. Kurz darauf hatten die Panikattacken des ehemaligen Seemanns begonnen. Das Unfallopfer, ein alkoholkranker Expolier namens Karl Czernik, hatte ein kleines Grab auf dem Hauptfriedhof, das ein Unbekannter zweimal im Jahr neu bepflanzen ließ. Die Recherchen in der zuständigen Gärtnerei hatten ergeben, dass der Auftrag dazu von Berneck stammte. Für Em und ihr Team ganz klar ein Indiz dafür, dass sie mit ihrer Annahme richtiggelegen hatten. Doch das war leider auch schon alles. Eine wirklich heiße Spur blieb auch hier aus.
    Dafür rückte ihnen die Presse von Tag zu Tag nachdrücklicher auf den Pelz. Nahezu stündlich sickerten neue Details über die Opfer durch, und in der Öffentlichkeit schlug die Sache mittlerweile hohe Wellen. Viele Journalisten bemühten sich um eine seriöse Analyse, andere spekulierten munter drauflos. Wirklich hilfreich war weder das eine noch das andere. Die Telefone der Abteilung standen seit Tagen nicht still, und Em fürchtete, dass sie in der Flut an Hinweisen den einen, alles entscheidenden einfach übersehen könnten.
    Gegen halb drei saß sie mit Zhou, Gehling und Decker bei einem verspäteten Mittagessen im Grünhof, einem schnörkellosen Einkaufszentrum, das dem Präsidium gegenüberlag. Decker hatte den Asian Food Express vorgeschlagen, vermutlich weil er hoffte, Zhou damit einen besonderen Gefallen zu erweisen.
    Em sah ihr Lächeln, als er sich abmühte, seinen Hummerkrabbensalat mit Glasnudeln in Originalsprache zu bestellen,und sie selbst hütete sich gewissenhaft, der mandeläugigen Kellnerin mehr als eine Zahl zu nennen.
    Gekocht wurde am offenen Wok. Während sie warteten, sprachen sie über den Fall.
    »Er legt sie an Orten ab, an denen er nicht damit rechnen muss, dass ihn jemand beobachtet.« Em lehnte sich auf dem unbequemen Holzstuhl zurück. »Ein Hochsitz. Eine Scheune. Eine Lagerhalle. Alles weit draußen oder doch zumindest so abgelegen, dass sich dort ab einer gewissen Uhrzeit niemand rumtreibt.«
    »Die größte Chance auf einen Zufallszeugen hätten wir bei Jonas Tidorfs Ermordung gehabt«, pflichtete Decker ihr bei. »Aber wir haben inzwischen wirklich alle gesprochen, die irgendwie mit diesem Haus zu tun haben. Mieter, Besucher, Handwerker.« Er schüttelte den Kopf. »Von denen hat keiner was gesehen.«
    »Eine wirklich interessante Frage wäre, warum er ausgerechnet seinen ersten Mord in der für ihn heikelsten Umgebung begeht«, bemerkte Zhou, die bereits den ganzen Morgen tief nachdenklich wirkte.
    »Weil er den Ort haben wollte«, entgegnete Em spontan. »Die Schlachthof-Symbolik. Das war ihm offenbar das Risiko wert.«
    »Die Frage ist, warum«, insistierte Zhou.
    Wegen der Tableaus, gab Em ihr im Stillen zur Antwort. Der Täter stellt etwas nach, eine ganz bestimmte Szene …
    Sie schob die klebrige Speisekarte zur Seite, weil die Kellnerin in diesem Augenblick das Essen brachte. Alle vier Gerichte gleichzeitig, wie Em anerkennend registrierte. Als jüngerer Schwester zweier ebenso gieriger wie durchsetzungsfähiger Brüder fiel ihr dergleichen bis heute auf. Sie kostete ihre Kokos-Curry-Soße und stieß einen zufriedenen Seufzer aus. Wenigstens das, dachte sie. Wenigstens ein kleiner kulinarischer Lichtblick in diesem Meer an Fragen.
    Die Front des Restaurants war zum Einkaufszentrum hin offen. Unmittelbar neben dem Eingang stand eins von diesenSpielgeräten, die sich vor- und zurückbewegten, sobald man einen Euro einwarf. Ein rotes Rennauto. Ems Blicke folgten einem dick eingemummten Kleinkind, das interessiert stehen blieb und dann hoffnungsfroh einen Fuß auf den Sockel setzte. Doch die Mutter zog den kleinen Jungen mit sich fort.
    Das Rennauto verschwamm zu einer formlosen roten Masse, aus der heraus ganz andere Bilder auf Em zukamen. Der Hochsitz. Der Keller. Die Scheune. All die

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