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Siebzehn Silben Ewigkeit - Roman

Siebzehn Silben Ewigkeit - Roman

Titel: Siebzehn Silben Ewigkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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wieder stellte, während der Abend voranschritt, die Dinge immer weiter aus den Fugen gerieten und er einfach nicht lockerließ. Der Postbeamte hatte natürlich von seiner alkoholischen Benommenheit profitieren wollen, um ihm möglichst viel zu entlocken. Was hatte Bilodo ihm verraten? Er musste gestehen, dass er nicht die geringste Ahnung hatte. Was hatte er Robert alles erzählt? Was war während jener Blackouts geschehen, die den geistigen Film des Abends schraffierten?
    Das Gelächter aus seinem Traum ertönte von Neuem, nur war Bilodo dieses Mal wach. Es kam von nebenan. Bilodo erkannte befremdet Roberts typisches Wiehern, und ihm wurde klar, dass der Postbeamte sich im Wohnzimmer befand. Ein neuerlicher Schwall von Erinnerungsfetzen rauschte durch seinen Kopf: Er entsann sich, dass er sich gegen Ende der verrückten Tour in den frühen Morgenstunden dummerweise von dem Kollegen nach Hause hatte bringen lassen. In sein neues Zuhause! Sein heimliches Refugium!
    Er erinnerte sich an Roberts alkoholseliges Erstaunen, als jener erfuhr, dass der »kleine Heimlichtuer« einfach umgezogen war, ohne ein Wort zu sagen, und an seine Verwunderung, als er das japanische Dekor von Bilodos neuer Bleibe entdeckte. Er sah Robert vor sich, wie er die Räumlichkeiten nach einer Geisha durchforschte, dabeieine Flasche Sake leerte, in die Badewanne urinierte und den kleinen Teetisch umstieß, um dann auf einem Tatami zusammenzusinken und zu schnarchen wie ein B-52 auf der Suche nach einer Stadt, über der man eine Atombombe abwerfen konnte. Die Kopfschmerzen setzten Bilodo zu. Was für eine unverzeihliche Dummheit! Das Geheimnis um seine private Festung war gelüftet. Robert wusste Bescheid. Er befand sich dort, im Wohnzimmer, und lachte. Worüber amüsierte er sich wohl so sehr?
    Bilodo gelang es, trotz seiner Seekrankheit aufzustehen und bis in den Flur zu schwanken. Roberts Gelächter ertönte erneut. Bilodo stützte sich an der Wand ab und erreichte die Schwelle zum Wohnzimmer, wo er Robert vorfand, der sich in Slip und Unterhemd im Schreibtischsessel lümmelte. Er las gerade etwas, das er offensichtlich äußerst komisch fand. Und dieses Etwas war ein Haiku von Ségolène.
    Die Schublade stand offen. Die Gedichte der jungen Frau lagen auf dem Boden verstreut, und Robert hielt einige in der Hand, wobei er sie, während er sich im Schritt kratzte, nicht nur mit seinem gottlosen Blick entweihte, sondern sogar mit seiner heiseren Pithekanthropusstimme vorzulesen wagte:
    »
Spielen die Starken   / in ihrem Lawinenkleid   / doch ihr Herz ist weich
«, rezitierte Robert und lachte schallend. »Und lassen sie sich auch einen blasen?«
    Bilodo spürte, wie ihm beim Anblick des Postbeamten in Unterwäsche, der Ségolènes zarte Gedichte in seinenfeisten, verkommenen Fingern hielt und mit seinem scheelen Blick, seinem ordinären Gelächter besudelte, das Blut in den Adern stockte. Mit der ausdruckslosen Stimme eines Roboters, der im nächsten Augenblick gegen das Erste Gesetz verstoßen wird, forderte er Robert auf, ihm auf der Stelle die Blätter zurückzugeben, aber der hatte offenbar keine Eile, seinem Befehl Folge zu leisten:
    »Warte mal«, sagte er, während er in den Gedichten blätterte. »Die anderen sind noch lausiger.«
    Woraufhin der Postbeamte in einem lächerlichen Falsett ein weiteres Haiku vortrug. Bilodo bewegte sich auf ihn zu. Robert hatte damit gerechnet, sprang aus dem Sessel und rannte ans andere Ende des Raums. Bilodo verfolgte ihn, er wollte die kostbaren Gedichte um jeden Preis zurückhaben. Endlich gelang es ihm, die Manöver des schäbigen Clowns zu durchkreuzen und die Haikus zu ergattern, doch der Idiot ließ sie nicht los, sodass das Unausweichliche geschah   … Bilodo starrte entsetzt auf die Papierfetzen, die Robert noch immer festhielt, und dann auf die in seiner eigenen Hand.
    »Huch!«, stieß Robert prustend hervor.
    »Raus!«, befahl Bilodo mit tonloser Stimme.
    »Immer mit der Ruhe«, erwiderte der Postbeamte dreist. »Wir wollen uns doch nicht wegen drei oder vier beschissener Gedichte in die Haare kriegen.«
    Hatte er wirklich »beschissen« gesagt? So schnell, wie Bilodos Blut gestockt war, verflüssigte es sich wieder und gelangte im Handumdrehen zum Siedepunkt. Seine Faustzog sich zusammen, schnellte vor und traf Roberts Nase. Der flog durch die Kirschbäume des Paravents und landete mit lautem Getöse jenseits davon auf dem niedrigen Tisch. Bilodo riss ihm die Papierfetzen aus der Hand. Der

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