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Siebzehn Silben Ewigkeit - Roman

Siebzehn Silben Ewigkeit - Roman

Titel: Siebzehn Silben Ewigkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Postbeamte stand verdutzt schwankend auf, wobei er seine blutende Nase hielt, und war auch noch so unverfroren, es ihm übel zu nehmen. Fluchend und gestikulierend wollte er seinerseits zuschlagen, streifte jedoch nur Bilodos Ohr, der ihm wiederum mit der Rechten einen kräftigen Hieb in den Magen versetzte. Robert sackte in sich zusammen, wobei außer dem Sauerstoff jegliche Aggressivität aus seinem Körper wich. Bilodo ergriff die Gelegenheit und packte Robert am Kragen, zerrte ihn in den Flur und nahm sich gerade noch die Zeit, die Tür zu öffnen, um ihn im hohen Bogen hinauszubefördern, so dass er im Treppenhaus drei Stufen auf dem Hinterteil hinunterrutschte. Bilodo warf ihm seine Kleidung hinterher und verriegelte die Tür.
    Er konnte es nicht fassen. Er, der keiner Fliege je etwas zuleide getan hatte, ohne zu bedauern, sie nicht zuvor betäubt zu haben, hatte soeben seinen besten Freund verprügelt. Seinen Exfreund, besser gesagt. Im Moment hatte er allerdings ganz andere Sorgen. Die Lage war ernst: Einige von Ségolènes schönsten Haikus waren zerrissen. Bilodo holte, ohne den Flüchen und sonstigen Mahnungen, die Robert draußen von sich gab, oder den heftigen Schlägen, die er der Tür versetzte, irgendwelche Beachtung zu schenken, eine Rolle Klebeband hervorund machte sich daran, die geweihten Blätter zusammenzufügen. Draußen stieß Robert inzwischen Drohungen aus und schwor, er könne sich auf etwas gefasst machen, das werde er ihm heimzahlen, doch Bilodo hörte nichts, er war ganz und gar versunken in den diffizilen chirurgischen Eingriff, mit dem er die versehrten Verse wiederherzustellen versuchte.
    Erst später, lange nachdem Roberts Gebrüll verstummt war, nach der geglückten Restaurierung von Ségolènes Poesie, stellte Bilodo bei der Durchsuchung seiner Jackentasche fest, dass der Brief, den er tags zuvor dort verwahrt hatte, nicht mehr dort war. Er war zusammen mit dem darin enthaltenen Tanka verschwunden.
    Er konnte sich nicht mehr entsinnen, was er damit gemacht hatte. Hatte er ihn im Zuge der nächtlichen Ausschweifungen dummerweise verlegt oder hatte Robert, dieser Schuft, ihn mitgehen lassen?

16
    Als Bilodo mittags ins »Madelinot« kam, saß Robert mit der unvermeidlichen Truppe von Kollegen in der Postbeamtenecke. Die Schwellung und ungewöhnliche Färbung seiner Nase waren nicht zu übersehen. Bilodo spürte, wie lauter feindliche Blicke auf ihn gerichtet waren; Robert hatte natürlich seine ganz persönliche Version der Attacke auf seine Nase in Umlauf gebracht. Bilodo bemühte sich, der allgemeinen feindseligen Stimmung keine Beachtung zu schenken, und setzte sich an die Theke. Tania kam und stellte einen Teller Suppe vor ihn, in der Bilodo zu rühren begann, wobei er sich fragte, wie er wohl die heikle Angelegenheit des verschwundenen Tanka ansprechen sollte. Befand es sich tatsächlich in Roberts Besitz? Die Frage konnte er ihm auf keinen Fall direkt stellen, schon gar nicht vor den anderen. Wie konnte er es herausfinden, ohne sich eine Blöße zu geben, ohne Gefahr zu laufen, dass der Postbeamte die Situation aufdie eine oder andere Weise ausnutzen würde, und wie konnte er wieder in den Besitz des Briefes kommen, ohne die Schmach, sich entschuldigen zu müssen, ohne sich, je nachdem wie übel Roberts Laune war, weiterhin demütigen lassen zu müssen? Bilodo kaute geistesabwesend auf seinem Kartoffelauflauf, in der Hoffnung, dass Robert die Sache selbst in die Hand nehmen, zu ihm kommen und ihm die Lösegeldsumme nennen würde, was jedoch nicht der Fall war: An seinem Verhalten deutete nichts darauf hin, dass er ihm je wieder etwas anderes entgegenbringen würde als puren Hass.
    Nach dem Essen wäre Bilodo beim Verlassen der Toilette um ein Haar mit Tania zusammengestoßen, die neben der Tür stand und auf ihn wartete. Strahlend verkündete die junge Frau, sie wolle sich bei ihm bedanken. Für das Gedicht natürlich. Und Bilodo sah, dass sie ein Blatt Papier in der Hand hielt. Das Tanka!
    Mit vor Glück tränennassen Augen erklärte Tania, wie angenehm überrascht sie gewesen sei, das Gedicht zusammen mit der Rechnung und dem passenden Betrag auf der Theke zu finden. Sie gestand, zutiefst gerührt zu sein, und senkte keusch den Blick, um dann errötend hinzuzusetzen, dass sie ähnlich empfinde. Bilodo ging endlich ein Licht auf: Sie dachte, das Tanka sei für sie bestimmt gewesen, er habe es, wie versprochen, für sie verfasst und   … Es war so unglaublich, dass es ihm den

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