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Siebzehn Silben Ewigkeit - Roman

Siebzehn Silben Ewigkeit - Roman

Titel: Siebzehn Silben Ewigkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Kopf gehen ließ, beschlichen ihn Zweifel.

    War es   – nach reiflicher Überlegung   – ratsam, Ségolène ein Gedicht zu schicken, das sich so sehr von denen unterschied, die sie gewöhnlich erhielt? Er machte sich nicht etwa wegen der Form, sondern wegen des Inhalts Gedanken: Wie würde die junge Frau mit dieser unverblümten Liebeserklärung, diesem plötzlichen Vorstoß in den einst ausgesparten Bereich der Gefühle umgehen? War nicht zu befürchten, dass es sie verstimmte? Würde ihr zartes Einverständnis nicht darunter leiden? Hatte Bilodo sich nicht zu weit vorgewagt?
    Er bedauerte inzwischen sein Ungestüm, nur ließ sich nichts mehr daran ändern: Das Tanka lag auf der anderen Straßenseite in der Tiefe des Briefkastens und konnte nicht wieder daraus hervorgeholt werden. Rein theoretischjedenfalls. Würde Robert, der mit der Leerung desselben beauftragt war, nicht gegen Ende des Vormittags aufkreuzen?
    Kurz vor diesem Zeitpunkt verließ Bilodo das Haus, um vor Ort auf Robert zu warten, wobei er, taub für das Vogelgezwitscher, das der noch junge April aus dem Süden mitführte, wie ein neurotischer Wachposten vor dem Briefkasten auf und ab ging. Nach einer halben Stunde tauchte endlich das Postauto auf. Es hielt neben dem Gehsteig, und Robert stieg aus, unter lautstarker Bekundung seiner freudigen Überraschung, seinen alten Kumpel Libido anzutreffen. Um dem Gefühlsausbruch ein Ende zu setzen, erläuterte Bilodo, welchen Freundschaftsdienst er von ihm erwartete. Robert zögerte zunächst mit dem Hinweis, seine Bitte verstoße gegen die Vorschriften, allerdings nur, um ihn noch länger auf die Folter zu spannen: Was bedeuteten schon ein paar idiotische Vorschriften gegenüber den unverbrüchlichen brüderlichen Banden, die sie einten? Nachdem der Postbeamte den Briefkasten seines Inhalts entledigt hatte, forderte er Bilodo auf, mit ihm in den Wagen zu steigen, wo er, geschützt vor den indiskreten Blicken des gemeinen Volkes, den Sack leerte und ihn aufforderte, den angeblich versehentlich eingeworfenen Brief wieder an sich zu nehmen. Bilodo wühlte sich, vor lauter Dankbarkeit stammelnd, durch die verschiedenen Päckchen, Umschläge, weggeworfenen Spritzen, gestohlenen Hockeytrikots und sonstigen vom Postkasten ausgeschiedenen abstoßenden Dinge und entdeckte schließlichseinen Brief. Die Gefahr war nunmehr gebannt, und Bilodo fühlte sich erleichtert, aber auch ein wenig enttäuscht, ohne zu wissen warum. Roberts neugieriger Blick hatte unterdessen die Adresse auf dem Umschlag entziffert. Da der Postbeamte Bilodos Ausrede nicht eine Sekunde lang Glauben geschenkt hatte und ahnte, dass es eigentlich um eine Herzensangelegenheit ging, wollte er unbedingt erfahren, wer jene Ségolène sei, der er nach Guadeloupe schreibe. Instinktiv versteckte Bilodo den Brief in seiner Jacke. Auch wenn er Robert gegenüber Dankbarkeit empfand, wollte er auf keinen Fall darüber sprechen und beteuerte, es sei streng vertraulich. Wider Erwarten insistierte Robert nicht weiter, sondern warnte ihn nur, dass er nicht so einfach davonkomme, zur Feier des Tages müsse er nach der Arbeit noch ein Glas mit ihm trinken. Bilodo zögerte, wohl wissend, wie leicht eine solche Einladung außer Kontrolle geraten konnte, aber wie sollte er Robert nach allem, was dieser für ihn getan hatte, eine solche Bitte abschlagen?

15
    Bilodo träumte, er würde Gelächter hören. Beim Erwachen stellte er erst nach einer Weile fest, dass er bei geöffneten Jalousien, mit der Morgensonne direkt auf seinem Gesicht, vollständig angekleidet auf dem Futon lag. Er wollte aufstehen, sank jedoch sogleich wieder zurück, weil ein quälender Schmerz seinen Schädel marterte. Die Erinnerungen an die Exzesse der Nacht kehrten in Bruchstücken zurück. Da war jener Pub in der Rue Ontario, in dem sie den Abend begonnen hatten, die Gläser voll Scotch, die eins nach dem anderen auf der Theke gestanden hatten. Danach war alles schon weniger deutlich: Da war dieser Nachtclub in der Rue Stanley, jener Alkoven, in dem sich käufliche Schönheiten in Großaufnahme in den Hüften wiegten, dann der Massagesalon, in den Robert ihn mitgeschleppt hatte, dann die Pizza Hawaii, die er auf einer Bank in einem grell erleuchteten Restaurant gegessen hatte, und schließlich jener andere Ort   – eineBar? eine Diskothek?   –, an dem sein Gedächtnis gänzlich versagte. Und da waren die Fragen. All die indiskreten Fragen zu dem Brief, zu Ségolène, die Robert ihm immer

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