Sieg der Liebe
nichts.“
3. KAPITEL
Joshua Sparhawk beobachtete seinen Vater, der über das zerknüllte Blatt Papier mit der schwarzen fleur de lis strich. Wie oft, fragte sich Joshua, hatte sein Vater wohl schon diesen Fetzen berührt, seit Jerusa in der vergangenen Nacht verschwunden war?
„Ich habe gerade mit dem Anführer der letzten Patrouille gesprochen, Vater“, sagte Joshua müde und warf seinen Hut auf die Bank unter dem Fenster. „Sie haben die ganze Gegend bis Newport Neck abgesucht und keine Spur von ihr gefunden.“
„Das habe ich eigentlich auch nicht erwartet.“ Gabriel seufzte tief und ließ sich gegen die hohe geschnitzte Lehne seines Stuhls sinken. Sein Haar war nur an den Schläfen etwas ergraut, und die breiten Schultern waren noch immer ungebeugt. Im nächsten Frühjahr wurde er sechzig, und zum erstenmal stellte Joshua fest, daß sein vielbewunderter Vater genauso alt aussah, wie er tatsächlich war. „Wer auch immer sie entführt hat, er ist längst auf und davon mit ihr. “
Erneut blickte er auf das Papier hinunter, das genau in der Mitte vor ihm auf dem Schreibtisch lag. Links davon war Jerusas Schmuck, ihr Halsband, der Ring und die Ohrringe, in den starren Kranz des Perlenarmbandes geschoben, rechts die rosafarbene Rose in einem Wasserglas. Die zarten Blätter der Blüte begannen schon zu welken, ein trauriges Symbol für die vergehenden Hoffnungen der Familie Sparhawk.
„Aber wir müssen Gewißheit haben, Vater.“ Joshua war nicht bereit, Gabriels Pessimismus zu teilen. Wenn die schwarze fleur de lis eine besondere Bedeutung hatte, sollte sein Vater darüber mit den anderen sprechen. Joshua konnte noch immer nicht recht glauben, daß Jerusa tatsächlich fort war. Vielleicht würde sie im nächsten Moment hinter einem Stuhl hervorspringen und sie alle auslachen, weil sie sich solche Sorgen machten. „Es gibt immer noch die Möglichkeit, sie irgendwo auf den Inseln zu finden. Die Entführer hatten höchstens eine Stunde Vorsprung. Wie weit könnten sie da gekommen sein?“
„Fast bis zur Hölle bei gutem Wind.“ Gabriel schaute unter seinen dichten Augenbrauen hervor zu Joshua auf. Die grünen Augen, die seine Kinder von ihm geerbt hatten, waren so klar wie immer. „Ich sagte dir bereits, daß diese Schurken Jerusa mit einem Boot entführt haben.“
Unwillkürlich verschränkte Joshua die Hände hinter seinem Rücken und spreizte die Beine. Diese abwehrende Haltung nahm er schon seit seiner Kindheit ein, wenn er die Meinung seines Vaters nicht teilte. Er tat sein möglichstes, um seine Schwester zu finden, das taten sie alle. Aber in den Augen seines Vaters war es nicht genug.
„Du weißt genausogut wie ich, Vater, daß wir mit dem Hafenmeister und den Lotsen alles überprüft haben. Wir haben jedes Schiff angehalten, das seit der vergangenen Nacht Newport verlassen hat, um an Bord zu gehen, und sind doch ohne eine Spur von Jerusa zurückgekommen.“
„Als ob diese elenden Entführer beidrehen und uns alle an Bord zum Tee einladen würden, nur weil wir sie höflich darum bitten! “ Verzweifelt schlug Gabriel mit der Faust auf den Tisch. „Diese Schurken wußten genau, was sie wollten. Sie haben sich gerade so lange in der Stadt aufgehalten, um meine Jerusa zu entführen, und danach sind sie völlig unauffällig verschwunden. Dieser Narr von einem Hafenmeister war vermutlich so betrunken, daß er nicht einmal gesehen hätte, wenn eine Fregatte mit dreißig Kanonen vor seiner Nase vorbeigesegelt wäre.“ „Um Himmels willen, Vater, sie hatten knapp eine Stunde Zeit, und ..."
Unvermittelt schwieg Joshua, als er Stimmen aus der Halle hörte. Vielleicht brachte man Neuigkeiten von seiner Schwester.
Doch statt eines Boten erschien Thomas Carberry an der Tür von Gabriels Büro und wartete vergeblich darauf, daß Gabriel ihn hereinbat. Irritiert streifte er seine gelben Handschuhe ab und ließ sich unaufgefordert auf einen Stuhl fallen.
Im Gegensatz zu den beiden Sparhawks, die nach der schlaflosen Nacht und dem Tag, den sie mit der Suche verbracht hatten, unrasiert waren und müde blickende Augen hatten, war Tom so sorgfältig gekleidet wie an seinem Hochzeitstag. Das Haar hatte er im Nacken zusammengebunden, und sein Hemd war makellos rein.
Seiner Schwester zuliebe hatte Joshua sich sehr bemüht, Tom zu mögen oder wenigstens höflich zu ihm zu sein. Aber für Josuha war der Mann nur ein eitler, hohlköpfiger Geck, der sich zuviel mit Tanz und dem neuesten Klatsch aus London
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