Sieg des Herzens
schon alles. Es tut mir leid.«
Ihre Mundwinkel zogen sich ein wenig nach unten, und wieder rang sie mit den Tränen, als sie erklärte: »Ich arbeite sehr hart hier, oft stundenlang, bis spät in die Nacht. Ich springe ein, wo ich kann. Ich helfe jedem Mann, ich schrecke vor keiner Aufgabe zurück. Und alles, um was ich dafür als Gegenleistung bitte, ist ein wenig Morphium für ihn hier...«
»Er bekommt, was ich erübrigen kann.«
»Wenn wir mehr Geld brauchen...«
»Nein«, schnauzte er sie an, »wir brauchen kein Geld!«
Geld! Das war ja wohl die Krönung, sie bot ihm ihre Dienste an, wo er doch alles daransetzte, die Verbreitung von Geschlechtskrankheiten in der Armee einzuschränken.
»Mit Geld kann man nicht alles kaufen. Und Morphium in diesen Zeiten schon gar nicht! Was wir erübrigen können, werden wir ihm geben. Ich werde dafür sorgen, daß er so wenig wie möglich leiden muß. Ich habe gerade schon zu Corporal Rugby gesagt, daß ich ihm Bäder verschreiben werde, die seine Ekzeme ein wenig lindern. Morgen früh können Sie mich auf meiner Visite begleiten, und dann werde ich Ihnen zeigen, wie er behandelt werden muß. Sie können auch gern bei der Behandlung der anderen Männer helfen, aber ... Sie werden nicht mit ihnen anbändeln. Habe ich mich klar ausgedrückt?«
Ihre Lippen kräuselten sich, und ihren Augen sah man die Verärgerung an, als sie hervorpreßte: »Ganz klar, Sir.«
»Gut.«
Erschöpft und etwas schuldbewußt, wandte sich Brent von ihr ab. Er war wohl doch ein wenig hart mit ihr umgesprungen, aber er hatte es hier mit Dutzenden von Prostituierten zu tun, die man einfach so behandeln mußte, damit sie gehorchten. Seufzend dachte er daran, daß er am morgigen Nachmittag die weiblichen Bewohner und Patientinnen des Krankenhauses zusammenrufen wollte, um ihnen den Gebrauch des Kondoms zu erklären. Englische Überzieher, wie die Franzosen sie zu nennen pflegten, oder französische Verhüterli, wie sie im englischen und amerikanischen Sprachgebrauch hießen. Kein einfaches Thema, egal, bei welchem Namen man das Kind nannte.
Im Weggehen hörte er Mary ruhig mit Corporal Rubgy sprechen. Wieder spürte er in sich Arger darüber aufsteigen, daß eine so perfekte junge Schönheit sich einem so gräßlichen Gewerbe zugewandt hatte. Ob sie wohl das gleiche Schicksal ereilen würde wie ihren Captain? Was bliebe dann noch von ihrer Schönheit, wenn sie blutend, von Ekzemen übersät, die inneren Organe fast völlig zerfressen, einem menschenunwürdigen Tod entgegensah?
Wenn sie sich erst einmal die Syphilis zugezogen hatten, starben die meisten Prostituierten ganz genau so. Und seine Aufgabe war es, dafür zu sorgen, daß sie nicht immer noch mehr Männer mit sich ins Grab nahmen...
»Ein unmöglicher Mensch!« sagte Mary wütend, als Brent außer Hörweite und sie kurz davor war, in Tränen auszubrechen. Natürlich war es dumm von ihr gewesen, auf ein Wunder zu hoffen.
Rugby sah sie mitfühlend an, räusperte sich ein wenig verlegen und erwiderte: »Ich glaube gar nicht, daß er so ein schlechter Kerl ist. Wahrscheinlich ist er im Augenblick nur völlig überfordert. Es sind so viele Prostituierte hier, die Hilfe brauchen. Und dann all die Männer - vor allem die, die im Sterben liegen! Diejenigen, denen er helfen kann, muß er zurück in den Krieg schicken und die ganz hoffnungslosen Fälle nach Hause ... Das ist keine leichte Aufgabe und eine große Verantwortung.«
»Er ist nur böse, weil man ihn hierhergeschickt hat«, entgegnete Mary. »Er ist jung, sieht gut aus und denkt bestimmt, daß er in Richmond sein sollte, wo er mit den Debütantinnen tanzen könnte! Na, ist ja auch egal. Auf jeden Fall werde ich ihm die beste Krankenschwester sein, die er jemals gehabt hat.«
»Es kommt schon alles wieder in Ordnung, Miß Mary«, versuchte Rugby etwas unbeholfen, sie zu trösten.
»Ja, natürlich ...«, entgegnete Mary und rang sich ein Lächeln ab. »Ich komme schon zurecht. Gehen Sie ihm nur schnell nach. Sonst reißt er Ihnen noch den Kopf ab, wenn er merkt, daß Sie nicht mehr bei ihm sind.«
»Aber Sie scheinen so ... niedergeschlagen.«
»Mir geht es gut. Jetzt machen Sie schon.«
Rugby nickte, zögerte noch einen Augenblick, doch dann verließ er sie. Mary sah ihm nach, bis er verschwunden war, bevor sie sich über das Bett des Hauptmanns beugte und zärtlich seine Wange berührte.
»Mein armer, armer Captain!« flüsterte sie, und eine Träne, die sie nicht mehr hatte
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