Sieg des Herzens
glaube, daß ich ihm auch noch etwas schuldig bin.« Sie lächelte nun wieder und fuhr fort: »Nur was genau, da bin ich mir noch nicht ganz so sicher.«
Magee lehnte sich zurück und fragte verwundert: »Waren Sie verletzt oder krank?«
Ihr Blick schweifte ab und sie zögerte mit der Antwort, sah ihm dann aber direkt in die Augen und sagte: »Ich war abhängig - von Morphium. Nach dem Tod meines Mannes ...« Ihr versagte die Stimme, aber dann fuhr sie rückblickend über sich selbst den Kopf schüttelnd fort: »Ich hab' mehr und mehr von dem Zeug genommen, und
Julian - Dr. McKenzie - hat mir gezeigt, daß das der falsche Weg ist.«
Magee nickte freundlich und überlegte, ob Mrs. Rhiannon Tremaine Julian McKenzie gegenüber wohl noch etwas mehr als nur Dankbarkeit empfand. Froh darüber, daß sie hier bei ihm saß, hob er dann sein Glas, um mit ihr anzustoßen. »Willkommen bei der Armee vom Potomac, Mrs. Tremaine. Wissen Sie übrigens, daß Julian McKenzie in die reguläre Armee beordert wurde? Er war schon bei der letzten Aktion im Süden Virginias dabei.«
»Ja, ich habe davon gehört, daß man ihn versetzt hat.«
Wieder lehnte sich Magee etwas näher zu ihr hinüber: »Sie wissen doch, Mrs. Tremaine, wenn Sie mich begleiten, könnte es durchaus geschehen, daß wir eines Tages in einen Kampf mit seiner Truppe verwickelt werden.«
Sie nickte, nippte noch einmal an ihrem Wein und sagte: »Er ist Arzt. Er wird beim medizinischen Stab sein.«
»Er wird im Feldlazarett arbeiten, quasi das gleiche tun wie Sie, nur auf der gegnerischen Seite.«
»Aber es ist nicht das gleiche, als ob sich zwei feindliche Truppen der Infanterie gegenüberstehen ...«, widersprach sie ihm beinah vehement, und er mußte feststellen, daß sie sich richtig Sorgen machte. Sie schien mit einemmal so aufgebracht, daß sie sogar zitterte, und Magee überlegte, was wohl der Grund dafür sein mochte. Ob sie Angst davor hatte, Julian wiederzusehen? Oder davor, ihn womöglich eines Tages vor sich auf dem Operationstisch zu haben?
Sissy machte einen nervösen Eindruck, als sie sich mit Sydney vor dem Haus traf und auf einem der Pferde aufsaß.
»Mach dir keine Sorgen, Sissy. Es wird uns unterwegs schon nichts passieren«, versuchte Sydney sie zu beruhigen.
»Es geht mir gut, Miß Sydney.«
»Du siehst aus, als hättest du soeben einen Geist gesehen.«
»Nein, Ma'am, es geht mir gut.«
»Also, wenn du wirklich Angst hast, kannst du auch ...«
»Nein, nein, Miß Sydney, ich würde Sie in so einer Nacht nicht allein reiten lassen. Das gehört sich doch nicht für eine anständige junge Dame.«
Sydney war sich nicht so sicher, ob sie jemals als anständige junge Dame gegolten hatte. Die McKenzies waren zwar vor dem Krieg in Florida eine angesehene Familie gewesen, aber da gab es ein paar Leute, die sie immer schon wie eine Aussätzige behandelt hatten, weil in ihren Adern indianisches Blut floß. Bei vielen anderen war sie zwar wohlgelitten, aber kaum eine der Familien hätte sie gern als Schwiegertochter gesehen.
»In Ordnung, Sissy«, sagte Sydney schließlich, »dann reiten wir jetzt los.«
Sie ritt voraus. Obwohl es schon mitten in der Nacht war, herrschte auf den Straßen der Hauptstadt immer noch reges Treiben. Kuriere kamen und gingen, und die großen, eisenbeschlagenen Wagenräder der Kutschen klapperten über das Kopfsteinpflaster. Es war ein heißer Sommertag gewesen, und viele Männer und Frauen saßen draußen auf der Veranda, um vor dem Schlafengehen noch ein wenig die etwas kühlere Nachtluft zu genießen. Gesprächsfetzen drangen an Sydneys Ohr, während die Pferde die Wohnhäuser entlang gemächlich Richtung Fluß trabten.
»Sie sollten mit dem Kämpfen aufhören«, ereiferte sich ein älterer Mann und schlug mit der Faust auf das Geländer seiner Veranda. »Ich habe läuten hören, daß es Unstimmigkeiten bei den Konföderierten gibt, zwischen Jeff Davis und seinen Leuten. Diese Rebellen haben gedacht, daß sie für die Selbstbestimmung ihrer Staaten kämpfen, und jetzt beschneidet die Konföderation mehr von den Rechten des einzelnen, als es der Norden jemals getan hat!«
»Wir haben unsere eigenen Probleme, Vater«, hörte Sydney die niedergeschlagen klingende Stimme einer Frau. »Meuternde Rekruten, Generäle, die nicht mehr kämpfen wollen.«
»Wir brauchen einen Sieg, einen richtigen Sieg«, warf ein junger Mann ein.
»Erinnere dich doch bitte an die Schlacht bei Antietam Creek«, widersprach ihm der
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