Sieg des Herzens
dich umarmen.«
Sydney tat wie ihr geheißen.
»Ich wünschte, du würdest nicht gerade heute nacht dorthin reiten«, konnte Maria nicht umhin, ihrer Besorgnis noch ein letztes Mal Ausdruck zu verleihen.
»Es muß heute sein«, entgegnete Sydney knapp, bevor sie sich von Maria losmachte und hinausging, um Tim -dem Mann, der sich um ihre Pferde kümmerte - Bescheid zu sagen, daß er sie fertigmachen und vors Haus bringen sollte.
Sie wartete an dem kleinen Tor des weißen, halbhohen Lattenzauns, der den kleinen Vorplatz des Stadthauses umgab, in dem Maria und sie sich eingemietet hatten. Es war eine wunderschöne Nacht; die Temperatur war leicht gesunken und nun geradezu ideal für einen Mitternachtsritt. Glücklicherweise hatten sie für ihren kleinen Ausflug gute Tiere zur Verfügung. Mittlerweile konnte man in Washington nämlich bessere Pferde kaufen als in Virginia. Einst war der Süden berühmt für seine Pferdezucht gewesen, aber der Krieg hatte ihrem Bestand arg zugesetzt.
Sydneys Vater - ein überzeugter Konföderierter - schickte ihr das Geld, das sie zum Leben brauchte. Aber natürlich glaubte er, daß sie hier in Washington Petitionen schrieb, Bücher las, Kuchen backte und sich um die Bedürftigen kümmerte. James respektierte seine Kinder und erwartete von ihnen, daß sie gemäß ihren Überzeugungen handelten. Aber er war auch ein gestrenger Vater, und das bekamen seine Töchter noch mehr zu spüren als seine Söhne.
Wenn er also herausbekommen hätte, was sie wirklich in Washington tat, insbesondere nach dem, was ihrer Halbschwester Jennifer zugestoßen war, wäre er höchstpersönlich angereist, um sie mit der Peitsche nach Hause zu jagen. In Gedanken an das hitzige Temperament ihres Vaters mußte sie lächeln und überlegte, was wohl schlimmer wäre: von ihm oder von den Yankees erwischt zu werden. Aber sie konnte sich nun nicht länger mit diesen Gedanken aufhalten, denn Tim brachte schon die Pferde aus dem Stall - zwei gesunde Füchse, die wenigstens ein Stockmaß von einem Meter sechzig hatten, schlank und schnell waren.
Außerdem wäre ja Sissy bei ihr, und es würde schon alles gutgehen. Sie ritt doch nur zu einem Lagerhaus von Watts, um ein paar Einkäufe zu machen, und sonst nichts. Sie hatte auch kein verfängliches Schriftstück bei sich. Was sollte also schon groß passieren oder schiefgehen? Nichts, nichts, gar nichts! versuchte sie sich einzureden. Marias abergläubisches Gerede hatte wirklich ein wenig an ihren Nerven gezerrt.
Und doch hätte sie es sich eine Warnung sein lassen sollen.
13
Die Existenz des Krankenhauses für besondere Fälle außerhalb von Richmond war kein Militärgeheimnis, und Brent McKenzie hatte die Soldaten schon vorher davon reden und es ironisch als »Platz der Gerechten« bezeichnen hören.
Nun war er also hier - und hatte seinen Dienst aufgenommen. Es war mittlerweile dunkel geworden, und Corporal Rugby leuchtete ihnen den Weg mit einer Öllampe, bis sie auch beim letzten Krankenzimmer angelangt waren. Den Tag über hatte er Dutzende von Patienten untersucht. Häufig war es besser, einen verstümmelten, blutenden Mann vor sich zu haben, als einen, bei dem sich gerade das letzte Stadium der Syphilis ankündigte. Der Verwundete hatte immerhin noch eine Chance, aber der an Syphilis Erkrankte nicht mehr.
»Den hier hat es am schlimmsten erwischt. Ein gewisser Hauptmann Henderson, Artillerie, schon ziemlich betagt. Er hätte eigentlich gar nicht mehr zum Militärdienst zugelassen werden sollen, wissen Sie ... Aber er war ein guter, loyaler Südstaatler, und so akzeptierte man ihn doch.«
Der Mann vor ihnen auf dem Bett litt offensichtlich schon seit mehreren Jahren an der Krankheit. In den ersten Stadien traten in der Regel Geschwüre auf, die dann aber irgendwann nicht weiterwucherten - was häufig dazu führte, daß der Patient sich als geheilt betrachtete. Aber die Krankheit verließ den Körper nicht, harrte nur ein wenig aus, um sich schließlich daranzumachen, Körper und Geist zu zerfressen. Und am Ende ...
Der Mann stöhnte und sah Brent mit flehendem Blick an. Er wollte keine medizinische Hilfe, da er wußte, daß er verloren war. Er wollte erschossen werden, damit sein Leiden ein Ende hatte.
»Diesen Mann hat man in die Armee gelassen?« fragte Brent ungläubig.
»Nun, Sir, Sie wissen doch, daß die Männer zwar vorher von Ärzten untersucht werden. Aber seien wir doch mal ehrlich: Wir können schon lange nicht mehr so wählerisch sein.
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