Sieg des Herzens
legte Paddy die Whiskeyflasche an die Lippen. »Dann halten Sie es besser aus.«
»Ah, Sie sind wirklich ein Engel, mein Kind, ein wahrer Engel«, sagte Paddy und tat einen kräftigen Zug aus der Flasche, während er sie unablässig anstarrte. »Ich weiß zwar nicht, wer, zum Teufel, Sie sind ... Um Gottes willen! Colonel!« schrie er dann und nahm noch einmal einen großen Schluck von dem Whiskey. »Werde ich mein Bein verlieren?«
»Nein, das glaube ich nicht«, sagte Julian.
»Gott segne Sie.«
»Aber ich kann für nichts garantieren«, dämpfte Julian seine Euphorie. Derartige Wunden waren immer mit Vorsicht zu genießen. Wenn sich eine Infektion breitmachte, verlor man entweder die Gliedmaße oder das Leben, und manchmal auch beides.
»Gott segne Sie trotzdem, aber es tut so weh ...«, sagte Paddy.
»Trinken Sie noch mehr davon«, riet ihm Rhiannon, wobei sie Paddy freundlich ansah und dabei beinah lächelte. Da nun der Ernst aus ihren Zügen gewichen war, wirkte sie ganz sanft und sah noch atemberaubender aus. »Später habe ich für Sie noch etwas Morphium ...«
»Morphium?« fragte Julian und sah sie erstaunt an. Genau das fehlte ihm am nötigsten in seinem Arztkoffer.
»Ich baue Schlafmohn in meinem Garten an«, erklärte sie.
»Wer ist dieser Engel, Colonel?« wollte Paddy wissen.
»Eine freundliche Witwe eines Nordstaatlers, die Mitleid mit unserem kleinen Trupp hatte und sich unserer angenommen hat«, sagte Julian fest und wünschte, daß Paddy ohnmächtig geblieben wäre.
Aber Paddy war nicht blöd. »Aha«, sagte er und fügte dann inbrünstig hinzu, »wir sind Ihnen sehr dankbar, Ma'am. Aber, haben Sie auch einen Namen, mein Engel?«
»Sie heißt Rhiannon«, sagte Julian, nachdem er das Ende des Fadens mit den Zähnen durchgebissen hatte und ihre Gastgeberin nun über das Bett hinweg ansah.
»Engel!« ließ sich plötzlich Rachels Stimmchen vernehmen, die die ganze Zeit hinter Rhiannon gestanden hatte. »Das ist mal eine nette Bezeichnung. Hier in der Gegend neigt man eher dazu, sie Hexe zu nennen!«
»Rachel«, versuchte Rhiannon ihr Einhalt zu gebieten.
»Hexe?« vergewisserte sich Julian, ob er auch richtig gehört hatte, und mußte sich dabei ein Lächeln verbeißen.
Rhiannon zuckte mit den Schultern und sagte: »Ich habe Ihnen doch gesagt, daß ich Schlafmohn in meinem Garten anbaue. Daneben kultiviere ich auch noch ein paar andere Heilpflanzen. Einige Leute halten mich deshalb für eine Hexe.«
»Ah«, sagte er, »ich verstehe.«
»Engel paßt besser«, beharrte Paddy.
»Das kommt ganz darauf an, wie man es sieht, nicht wahr?« entgegnete Julian leichthin.
Rhiannon gab darauf keine Antwort, sondern wischte den Schweiß von Paddys Stirn. Dann nahm sie die Schüssel mit dem blutverfärbten Wasser und verließ den Raum. Rachel folgte ihr auf dem Fuße.
»Ich habe deine Wunde vernäht, Paddy. Aber du hast viel Blut verloren und bist noch sehr schwach.«
»Ich schaffe es schon, Colonel. Sie haben mich hierhergebracht und zusammengeflickt. Ich schaff' das schon«, wiederholte er glücklich. Dann verzog er das Gesicht und nahm noch einmal einen Schluck aus der Flasche. »Sie ist ein Engel - ein Engel mit Whiskey. Sie muß ein irischer Engel sein!«
»Ruh dich jetzt aus«, sagte Julian und klopfte ihm auf die Schulter. »Wir bleiben bis zum Morgengrauen hier. Dann müssen wir uns leider wieder auf den Weg machen. Wir können nichts daran ändern, Paddy. Wir sind völlig vom Rest der Truppe abgeschnitten.«
»Die Lady glaubt, daß wir Nordstaatler sind, mh?«
»Eine Notlüge, die Kyle ihr erzählt hat«, sagte Julian knapp.
»Aha, ich verstehe. Ich werde mich ein bißchen ausruhen, damit ich für Sie nicht eine zu große Last bin, wenn wir morgen weiterreiten«, sagte Paddy.
Julian klopfte ihm noch einmal auf die Schulter.
»Ich bleibe bei ihm«, bot sich Liam an.
Julian nickte zustimmend, hob seinen Hut auf und verließ den Raum. In der Halle hörte er von irgendwoher die Stimmen der anderen Männer, die sich unterhielten, und ließ sich von dem Geräusch leiten. Corporal Lyle und Keith und Daniel Anderson saßen am Eßzimmertisch und aßen Brot, Käse und Rauchfleisch. Als Lyle Julian kommen sah, erhob er sich augenblicklich und stand stramm. »Sir, Jim, Kyle, Thad, River und Ben halten Wache. Sie haben schon gegessen, deshalb haben wir...«
»Habt ihr euch selbstverständlich auch erlaubt, zu Abend zu essen«, vollendete Julian seinen Satz.
Das Fleisch war zwar kalt, aber
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