Sieg des Herzens
stehen.
Aber er drehte sich um und rief ihr nach: »Wenn ich ehrlich bin, Ma'am, würde mich Ihr Garten interessieren.«
Sie hielt inne. Der Haltung ihres Rückens war zu entnehmen, daß es ihr nicht paßte, daß er ihr nachgerufen hatte. Einen Augenblick zögerte sie noch, bevor sie sich zu ihm umdrehte und wider Erwarten ganz freundlich fragte: »Und warum?«
»Warum?« wiederholte er und zog eine Augenbraue hoch, da der Grund für sein Interesse seines Erachtens nach doch auf der Hand lag. »Ich möchte mir einfach gerne ansehen, was Sie da angepflanzt haben und wie sie das machen. Sie haben gesagt, daß es in Ihrem Garten auch Schlafmohn gibt, den Sie zu Morphium verarbeiten...«
»Ah, aber Sir! Was sollte es Ihnen denn bringen, wenn Sie mehr über meinen Garten wissen? Werden Sie denn nah genug sein, um meine Kräuter zu plündern?«
»Plündern?«
Sie antwortete nicht gleich, sagte dann aber: »Ob nun Nord- oder Südstaatler, Sir, die Truppen nehmen von den Bürgern, was sie kriegen können und unter welchem Vorwand auch immer.«
»Ich plündere nicht, Ma'am.« Dann kam er auf sie zu und baute sich noch einmal vor ihr auf, bevor er fortfuhr: »Ich vergewaltige nicht, ich stehle nicht, und ich würde auch nicht morden oder plündern.«
»Was tun Sie denn dann, Colonel?« entgegnete sie spitz, während ihre Augen ihn wütend anfunkelten.
»Ich versuche, zu überleben«, sagte er nur, und diesmal wollte er das letzte Wort haben. Auch wenn es nur einen einzigen Weg gab, das zu erreichen. Entschlossen wandte er sich von ihr ab und ging mit weit ausholenden Schritten zurück zum Haus.
Das sollte Paddys Engel sein? Bestimmt hatten die Leute doch recht, und sie war eine Hexe. Bei diesem Gedanken lief es ihm eiskalt über den Rücken. Er war einfach nur müde - hundemüde. Der Ritt, das Scharmützel, die Tatsache, daß er Paddy vom Schlachtfeld getragen hatte und dann noch im forschen Galopp mit ihm auf einem Pferd geritten war, das alles hatte ihn doch sehr mitgenommen.
Er mußte sich unbedingt ausruhen, und das würde er jetzt verdammt noch mal auch tun.
Und doch ... Er spürte ihren Blick im Rücken und sah sie im Geiste vor sich. Rhiannon! Eine Hexe oder Nixe mit heilenden Händen? Möglicherweise auch beides - aber bestimmt mit der Gabe, einen zu verfolgen.
2
Rhiannon Tremaine blickte dem Mann nach, der in ihr Haus zurückging. Innerlich war sie vollkommen aufgewühlt von den widerstreitenden Gefühlen, die sie bestürmten.
Er war ein Lügner. Das hatte sie von Anfang an gewußt. Doch war sie sich noch im unklaren, ob es mit ihren hellseherischen Fähigkeiten zu tun hatte, daß sie sich dessen so sicher war, oder mit etwas anderem. Bestimmt war er ein Soldat, aber wohl kaum ein Nordstaatler. Trotz seines unordentlichen, abgerissenen Äußeren war er ein großer, gutaussehender Mann. Mächtig stark und bestimmt außerordentlich fähig. Und das, obwohl er für seine Größe ein wenig zu dünn war und etwas schlaksig wirkte.
Er war charmant - sehr sogar -, auch wenn er log. Und er war definitiv ein Lügner. Seine eingefallenen Wangen verrieten ihn. Er bewegte sich erschreckend geschmeidig und hatte fast fließende Bewegungen. Aber er bewegte sich auch wie ein Mann, der es gewohnt war, risikoreiche Entscheidungen zu treffen; einer, der mit Soldaten unterwegs war, die schnell zuschlagen und sich genauso schnell zurückziehen mußten. Er war sicherlich immer auf der Hut.
So wie er aussah, hatte er in letzter Zeit viel durchmachen müssen. Auch wenn der Krieg bei allen Menschen seine Spuren hinterließ, war sie sich doch sicher, daß es sich bei ihm um einen Rebellen handelte. Sein Freund war bestimmt während eines Kampfes gegen die Nordstaatler verletzt worden. Von wegen, sich selbst ins Bein zu schießen! Vielleicht handelte es sich bei ihnen sogar um Rebellen, die es aufgrund von den Kämpfen weiter oben im Norden Floridas hierher verschlagen hatte.
Nachdenklich senkte sie den Kopf und kam zu dem Schluß, daß es wohl doch recht unwahrscheinlich war, daß die Männer hier auf ihr Haus gestoßen wären, wenn sie tatsächlich an den Kämpfen im Norden des Staates beteiligt
gewesen wären. Und dennoch waren es Rebellen, und sie waren davon ausgegangen, daß sie mit den Nordstaaten sympathisierte, und deshalb hatten sie sie angelogen.
Rhiannon überlegte, ob sie wohl gefährlich waren. Natürlich waren sie gefährlich. Völlig ausgelaugt und vom Krieg gebeutelt, verletzt und halb verhungert. Solche
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