Sieg des Herzens
bezaubernd, überschwenglich und aufrichtig. Freundlich erwiderte er ihr Lächeln und wünschte sich plötzlich, seinen Aufenthalt hier nicht einer Lüge verdanken zu müssen, weil sie so offensichtlich erfreut darüber war, ihn bei sich zu haben.
»Ja, danke, es war hervorragend.«
»Sehr schön, wenn Sie dann bitte mit mir nach oben kommen wollen.«
»Nach oben? Wohin?«
»Ich habe Ihre Leute schon untergebracht, aber da Sie der ranghöchste Offizier sind ...« Plötzlich hielt sie inne und fragte ihn dann stirnrunzelnd: »Das stimmt doch, oder etwa nicht?«
»Äh ..., ja, im Augenblick schon.«
»Sie haben ein Zimmer für sich allein, die Treppe rauf. Die anderen werden sich ein Zimmer teilen, da sie ohnehin Vorhaben, sich beim Wacheschieben abzuwechseln. Das ist doch richtig?«
»Ich fürchte ja.«
»Wenn Sie mir jetzt bitte folgen würden.«
»In Ordnung, ich will nur noch mal schnell nach meinem Patienten sehen.«
Als Julian den Raum betrat, in dem er Paddy verarztet hatte, schlief der Ire so friedlich, daß Julian erschrocken sein Herz abhörte und seinen Puls fühlte.
»Machen Sie sich keine Sorgen«, sagte Rachel, Julian sacht auf den Arm klopfend. »Rhiannon hat ihm ein bißchen Morphium gegeben. Er schläft jetzt wie ein Baby. Diese Wunde muß ja furchtbar weh getan haben.«
Julian hatte nichts dagegen, daß man einem Verletzten ein schmerzstillendes Mittel verabreichte - es störte ihn nur, daß Rhiannon das einfach so getan hatte, ohne ihn zu fragen. Aber wenn er sich's recht überlegte, galt Morphium als Allheilmittel gegen alle möglichen Wehwehchen und war besonders bei den Damen sehr beliebt - ob sie nun jung oder alt waren, im Süden oder im Norden lebten.
»Ich glaube, ich muß mich mal mit Rhiannon unterhalten«, sagte er dann nur.
»Sie ist schon zu Bett gegangen«, klärte ihn Rachel auf. »Sie müssen schon bis morgen früh warten. Aber bitte schreien Sie sie nicht an.«
»Ich kann wohl kaum unsere Gastgeberin anbrüllen.«
»Sie hat es nur gut gemeint.«
»Glauben Sie?«
»Natürlich, sie würde niemandem etwas Böses tun. Ich habe es Ihnen doch schon gesagt: Sie kennt sich besser aus als die meisten Ärzte. Sie war eine Zeitlang in Washington und hat versucht, eine Stelle als Krankenschwester zu bekommen, damit sie Richards Regiment folgen konnte. Aber man hat ihr keine Erlaubnis dazu erteilt, und deshalb hat sie dort in einem Krankenhaus gearbeitet. Sie kann zaubern.«
Julian erwiderte skeptisch: »So, kann sie das?«
»Ja, ehrlich, und sie kann auch Dinge sehen, müssen Sie wissen.«
»Kann was sehen?«
»Nun, sie sieht, was die meisten anderen nicht sehen.«
Er neigte den Kopf, um ein Lächeln zu verbergen, und fragte dann: »Ist sie eine Prophetin?«
»O nein, und sie wäre bestimmt wütend, wenn sie wüßte, daß ich Ihnen davon erzählt habe. Manchmal ... weiß sie einfach nur Dinge, bevor sie geschehen. Und sie kann
Sachen und Leute wiederfinden ... Sie hat eben magische Kräfte, das ist alles.«
»Und in welchem Verhältnis stehen Sie zu Rhiannon? Sind Sie verwandt? Sehen Sie auch Dinge?«
Rachel mußte lachen. »Nein, ich fürchte, daß ich häufig noch nicht einmal das sehe, was direkt vor meiner Nase liegt. Richard - ihr Ehemann - war mein Vetter. Rhiannon kümmert sich um mich ... Kommen Sie jetzt bitte mit, Sir. Sie sehen wirklich erledigt aus.«
Erstaunt zog Julian eine Augenbraue hoch.
»Oh, es tut mir leid«, beeilte sie sich zu sagen. »Ich wollte nicht unhöflich sein - Sie sehen nicht schlecht aus, oder so. Im Gegenteil, Sie sind sehr attraktiv. O mein Gott, ich glaube, es ist ziemlich unverschämt von mir, solche Sachen zu sagen...«
Jetzt mußte er wirklich lachen. »Ich bin nicht beleidigt, sondern fühle mich vielmehr sehr geschmeichelt, Miß Rachel. Außerdem bin ich tatsächlich ganz schön erledigt. Danke für Ihre Freundlichkeit, und wenn Sie jetzt bitte vorangehen würden.«
Sie führte ihn nach oben in einen großen freundlichen Raum mit einem Doppelbett, französischen Türen, die auf einen Balkon gingen, und einer mit dampfendem Wasser gefüllten Sitzbadewanne - eine echte Seltenheit im rauhen Kriegsalltag.
»Gefällt es Ihnen?« fragte Rachel, als sie seine Begeisterung sah.
Er nahm ihre Hand, gab ihr einen galanten Handkuß und bedankte sich mit den Worten. »Das ist wohl das schönste Geschenk, das ich seit Jahren bekommen habe.«
Sie errötete und erwiderte darauf etwas verlegen: »Ich werde Sie dann mal allein lassen. Dort
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