Sieg des Herzens
man ihm verboten hatte zu spielen. Stirnrunzelnd tat er einen Schritt auf sie zu. »Was haben Sie da?«
»Nichts«, stieß sie hastig hervor und wich so erschrocken vor ihm zurück, daß er nun fest entschlossen war, zu erfahren, was sie da vor ihm verbarg.
Er warf seinen Colt ans Fußende des Bettes und streckte den Arm nach ihr aus, um sie zu sich zu ziehen. Bei seiner Berührung wurde sie stocksteif und fing an zu zittern. Sie versuchte vergeblich, sich loszumachen. Er hielt sie am Handgelenk fest und fragte sich, was sie da wohl so verzweifelt hinter ihrem Rücken verbarg. Eine Waffe? Vielleicht ein Messer? Hatte sie etwa vorgehabt, in sein Zimmer einzudringen und ihn im Schlaf zu meucheln?
»Geben Sie es her!« befahl er in forschem Ton.
Während er den rechten Arm um ihre Taille legte und sie fest an sich drückte, umklammerte er mit der linken jetzt so grob ihr Handgelenk, daß sie schließlich würde fallen lassen müssen, was sie da festhielt.
»Lassen Sie mich los!« bettelte sie, da sie nicht die Kraft hatte, ihn davon abzubringen, ihr die Hand zu öffnen.
Dann fiel etwas zu Boden. Als er sich bückte, um es aufzuheben, sah er erstaunt zu ihr hoch. Es war ein kleines, mit einem Korken verschlossenes Fläschchen. Morphium? Oder eine noch reinere Form der Droge - gar Opium. Jetzt verstand er, warum sie ihn so merkwürdig angesehen hatte.
Er richtete sich wieder auf und fragte forschend: »Morphium oder reines Opium?«
»Das geht Sie gar nichts an!«
»Sie sind abhängig.«
»Nein!« prostestierte sie. »Geben Sie es mir zurück ...
Ich bin nicht abhängig, ich ... Manchmal ... Bitte ... Ich brauche es!«
Zähneknirschend konstatierte er, daß Morphium eine gesetzlich zugelassene Arznei und in Friedenszeiten im Überfluß vorhanden war. Es heilte Kopfschmerzen und Frauenleiden und war natürlich auch gut gegen Schmerzen aller Art. Und es half zu vergessen. Im Operationssaal war es ein elementares Mittel; das war ihm erst richtig bewußt geworden, seitdem er es so oft hatte entbehren müssen. Wenn sein Vetter Jerome kein Schmuggler gewesen wäre, der ihm manchmal Arzneien beschaffte, die er dringend brauchte, an die aber auf normalem Weg nicht mehr ranzukommen war, hätte er wahrscheinlich gänzlich ohne sie auskommen müssen; zumal die ernsthaften Kämpfe nun so weit entfernt stattfanden, daß die Armee sämtliche Morphiumbestände nach Norden bringen ließ. Von dieser Droge konnte man nie genug haben.
Allerdings wurde man davon ziemlich schnell abhängig. Er würde nie den Leichnam einer jungen Frau vergessen, an dem er im Pathologieunterricht zu Studienzeiten hatte arbeiten müssen. Als sie noch lebte, war sie bestimmt ein wunderschönes Mädchen gewesen, mit goldblondem Haar und hellblauen Augen. Aber im Tod lag sie aschfahl und splitterfasernackt vor ihm, um von ihm seziert zu werden, nachdem sie ihrer Sucht zum Opfer gefallen war. Man hatte sie irgendwo auf einem Feld gefunden, und da keiner wußte, wer sie war oder woher sie kam, hatte man ihre sterblichen Überreste für die Pathologie freigegeben. Später stellte sich dann heraus, daß sie aus einer reichen und angesehenen Familie stammte und von zu Hause weggelaufen war, nachdem sie einen unstillbaren, tödlichen Hunger nach Morphium entwickelt hatte, das sie schließlich umbrachte.
»Colonel, bitte ...«, flüsterte Rhiannon.
Ihre Stimme klang heiser und flehend, aber er schüttelte den Kopf, wütend über ihr unvernünftiges Verhalten. Es gab doch auch so schon genügend Tod und Verderben in diesem Krieg! Wie konnte sie bloß so sorglos mit ihrem Leben umgehen? Rhiannon nahm nicht nur dieses Zeug, nein, sie trank auch noch Wein dazu. Wirklich eine verdammt wirkungsvolle Mischung.
Aufgebracht faßte er sie bei den Schultern, schüttelte sie und fuhr sie dann an: »Was ist eigentlich mit Ihnen
los?«
Wieder erstarrte sie unter seiner Berührung und stieß ärgerlich hervor: »Das verstehen Sie sowieso nicht...«
»Natürlich.«
»Lassen Sie mich endlich in Ruhe. Ich muß ...«
»Sie brauchen das Zeug nicht.«
»Doch. Nur heute nacht!«
»Ich sage Ihnen, lassen Sie die Finger davon!«
»Zum Teufel mit Ihnen! Was nehmen Sie sich überhaupt heraus, mir so etwas zu sagen?«
Schließlich gelang es ihr doch, sich von ihm loszumachen, und sie trat rasch ein paar Schritte zurück, wobei sie ihn herausfordernd ansah.
»Jetzt haben Sie sich zwar von mir befreit«, sagte er, »aber glauben Sie wirklich, daß ich Sie nicht davon
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