Sieg des Herzens
anderen Grund, an den sie zwar auch schon gedacht, aber weit von sich geschoben hatte. »Misses Rhiannon, Sie haben diese Kerle im Haus, und ich werde ganz schön lange brauchen, um diesen Hauptmann Cline in St. Augustine zu finden, und dann dauert es auch noch einmal ziemlich lang, bis die Soldaten hier sind.«
»Wir werden die Rebellen ordentlich behandeln, Angus. Sie werden überhaupt nicht merken, was ihnen blüht, bis es soweit ist.«
»Es könnte morgen früh werden, bis die Unionssoldaten hier sind.«
Rhiannon schluckte. Plötzlich hatte sie doch tatsächlich Angst. Es war ein ganz merkwürdiges Gefühl. Sie hatte sich schon sehr lange keine Sorgen mehr um sich selbst gemacht. Trotzdem sagte sie dann mit fester Stimme: »Tu es, Angus, bitte.«
Er nickte und ließ sie zurück. Sie sah ihm nach. Als er wieder hinter dem Haus verschwunden war, blickte sie zu Boden und stellte dabei fest, daß sie ihre Hände zu Fäusten geballt hatte. Sie streckte ihre Arme vor sich aus, und ihre Hände zitterten. Sie brauchte einen Drink. Das war natürlich überhaupt nicht ladylike, aber sie mußte jetzt unbedingt etwas Alkoholisches zu sich nehmen. Nein, mehr als das. Viel mehr! Sie würde sich nun in ihr Zimmer zurückziehen - weg von diesen Soldaten. Sie wollte sie nicht mehr sehen. Angus würde Hilfe holen. Sie brauchte sich nur einzuschließen und das alles hinter sich zu lassen: diese Männer, den Krieg und das, was mit Richard geschehen war.
Sie hatte da so ihre Möglichkeiten.
Julian hatte gedacht, daß seine Gastgeberin ihm vielleicht wider Willen ins Haus folgen würde, um sich noch ein bißchen mit ihm zu streiten. Aber da hatte er sich geirrt.
So war er denn zum Eßzimmer zurückgekehrt, wo sich mittlerweile River Montdale und Thad und Ben Henly hungrig über das Abendessen hermachten. Julian schloß sich ihnen an und nahm sich diesmal auch von dem Brot, dem Käse und dem hausgemachten Wein, während er die Männer fragte: »Habt ihr euch hinterm Haus auch gründlich umgesehen, Jungs?«
Vor dem Krieg hatten die Henlys ihren Lebensunterhalt als Trapper und Fallensteller verdient. Wenn er irgend jemandem zutraute, sich in den Wäldern hier auszukennen, dann den beiden.
Ben, ein kecker, gutaussehender dunkelhaariger junger Mann mit Grübchen in den Wangen, grinste und sagte: »Colonel, dieser Ort liegt so weit ab von allem wie nur irgend möglich.«
Sein Cousin Thad, der ein bißchen älter war als er, stimmte ihm zu. »Wir haben die Scheune, die Ställe, das Räucherhaus, die Quartiere der Dienstboten, einfach alles abgesucht. Wenn das hier eine Falle sein sollte, dann ist es eine verdammt gute.«
»Trotzdem sollten wir Wachen ...«
»Keith, Daniel und Corporal Lyle patrouillieren schon um das Haus. Wir haben uns überlegt, daß wir uns am besten in Dreiergruppen aufteilen, die sich alle zwei Stunden abwechseln, bis der Morgen anbricht, Sir«, erklärte ihm River Montdale.
Der junge Mann war dreiundzwanzig Jahre alt, hatte dunkle Augen und langes dunkles Haar. Er war ein Halbblutseminole und kannte sich auf weiter Flur genausogut aus wie die Henlys.
»Das scheint mir ein guter Plan zu sein. Ich werde die letzte Wache kurz vor Morgengrauen übernehmen.«
»Sir, so wie ich es sehe«, widersprach ihm River, »haben wir alle Einsätze abgedeckt. Liam hat ein Auge auf Paddy, und Sie sehen am besten zu, daß Sie ein bißchen Schlaf kriegen, weil Sie wirklich viel zu lang wach waren und mächtig schnell geritten sind, um Paddys Leben zu retten. Und außerdem«, fügte er mit einem Lächeln und einem Achselzucken hinzu, »sind Sie der ranghöchste Offizier.«
Julian grinste zurück und sagte: »Ich bin wirklich verdammt müde.«
»Und Paddy braucht Sie vielleicht heut' nacht noch«, gab Ben zu bedenken.
»Das könnte sein«, sagte Julian, »obwohl ich es bezweifle. Er wird durchschlafen.«
»Sir, wenn Sie uns dann bitte entschuldigen würden ...«, sagte Thad.
»Ja, ruht euch noch ein wenig aus«, entgegnete Julian, und die drei verließen den Raum.
Nachdem sie gegangen waren, betrat eine große, dunkelhäutige Frau das Eßzimmer, eine silberne Karaffe und ein Weinglas vor sich hertragend. Sie hatte einen olivfarbenen Teint, erschien alterslos, und auf ihrem schönen Gesicht mit den tiefdunklen Augen lag ein geheimnisvolles Lächeln.
»Sind Sie der Colonel?« fragte sie.
Er nickte und beobachtete sie. Sie wirkte sehr erhaben und schien völlig in sich selbst zu ruhen. Ihr Gesicht war faszinierend
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