Sieg des Herzens
verbesserte.
Brent führte auch einen regen Briefwechsel mit seinem Vetter Julian, der seine Ansicht teilte, daß die Sterblichkeitsrate dramatisch reduziert werden könnte, wenn man die hygienischen Verhältnisse in den Armeelagern verbesserte. Julian war in der Miliz von Florida geblieben, während Brent, der sich gerade in Charleston befunden hatte, als sich Südkarolina von der Union lossagte, der regulären Armee der Konföderierten als Chirurg beigetreten war.
Auch wenn sie nur Vettern und keine Brüder waren, hatten sie sich doch immer sehr nahegestanden und von Jugend an ihre Begeisterung für die Medizin geteilt. Beide hatten viel Zeit bei den Medizinmännern der Seminolen verbracht und dabei gelernt, wie man mit den in Floridas Sümpfen wachsenden Pflanzen Krankheiten wie Malaria und Ruhr, die man sich dort ebenfalls leicht zuziehen konnte, behandelte. Sein Vetter Julian hatte sich niemals über die Herangehensweise der Indianer an Krankheiten lustig gemacht oder ihr Wissen als Humbug abgetan; und es wäre ihm auch nie in den Sinn gekommen, sie als Wilde oder geistig Minderbemittelte anzusehen. Wenn eine Behandlung anschlug, wollte er natürlich wissen, warum. Aber selbst wenn er nicht dahinterkam, glaubte er dennoch an die Ergebnisse.
Deshalb saß Brent häufig Abende lang an seinem Schreibtisch, um die Briefe seines Vetters zu beantworten oder ihm von seinen Erfahrungen zu berichten - egal, wie müde er auch sein mochte oder wie schwierig es manchmal war, Post aus dem Lager hinauszubekommen.
Sie waren beide überzeugt davon, daß es an der miserablen Verpflegung der Soldaten lag, daß so häufig Durchfallerkrankungen auftraten, die nur allzuoft zum Tode führten. Sie setzten sich dafür ein, den Soldaten begreiflich zu machen, daß es eminent wichtig war, Tierdung und menschliche Exkremente außerhalb des Lagers zu halten, und sie drängten die militärischen Verantwortlichen, ihren
Untergebenen klarzumachen, wie wichtig frisches Trinkwasser für die Gesundheit der Männer war.
Julian hatte Brent von einem Trainingslager im Süden Georgias berichtet, in dem sich die Soldaten über »Lebewesen im Wasser« beschwert hatten, »die groß genug waren, daß man das Ungeziefer mit bloßem Auge erkennen konnte«. Nachdem man die Männer gezwungen hatte, dieses Wasser zu trinken, war fast die Hälfte der Truppe an Salz- und Wasserverlust aufgrund von besonders schwerem Durchfall gestorben.
Allerdings hatten es die Ärzte im Feld auch noch mit ganz anderen Krankheiten zu tun, wie zum Beispiel Masern, Malaria, Typhus, Windpocken und Mumps. Wer als Mediziner in der Armee diente, mußte quasi mit jeder Krankheit vertraut sein, die den Menschen befallen konnte, und zudem mit jeder Form des Unwohlseins und - nicht zu vergessen - mit allen möglichen Verletzungen.
Dabei kamen Bajonettverletzungen nicht so häufig vor wie Schußverletzungen; auch Wunden, die von Schrapnellsplittern, Kanonenkugelexplosionen und anderen Sprengstoffen herrührten, waren nicht so häufig wie Schußverletzungen. Meistens mußten im Lazarettzelt Einschüsse in den Gliedmaßen behandelt werden, da die Männer, die im Brust- oder Bauchbereich getroffen waren, in der Regel bereits auf dem Schlachtfeld verstarben. Und viele, die man hätte retten können, erlagen ihren Verletzungen, weil weitergekämpft wurde und sie nicht rechtzeitig in Sicherheit gebracht und verarztet werden konnten.
Brent hatte sich daran gewöhnt, im Lazarettzelt unter Artilleriebeschuß und erbärmlichsten Bedingungen zu arbeiten. Oft kam er sich eher vor wie ein Metzger, auch wenn er sich redlich bemühte, als Chirurg sein Bestes zu geben. Aber nach einer Schlacht blieb ihm meist nur, so schnell wie möglich die betroffene Gliedmaße zu amputieren. Eine nach der anderen. Und mit jedem Schnitt seines Skalpells und mit jedem Zentimeter, den seine Chirurgensäge tiefer in den Knochen eines Mannes drang, hatte er das Gefühl, daß er ihm gleichzeitig seine Hoffnung auf ein würdevolles Leben herausschnitt. Manchmal, egal, wie schnell und perfekt eine Amputation auch vorgenommen wurde, setzte später Wundbrand ein, und der Soldat starb trotzdem. Unermüdlich kämpfte Brent inmitten all des Blutes um das Überleben der Verwundeten, und doch schien es ihm manchmal so sinnlos.
Dann wieder gab es Augenblicke, in denen er sich bewußt wurde, daß sein Können tatsächlich Gliedmaßen erhalten und Leben gerettet hatte; oder daß seine Beharrlichkeit und Vorsichtsmaßnahmen
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