Sieg des Herzens
platschen und ging davon aus, daß sich Rhiannon von Rachel abgewandt und weiter ins Wasser hineingegangen war, wo es tiefer war.
»Ich glaube, daß du ganz schrecklich rachsüchtig bist!«
»Rachel...«
»Da ist etwas, Rhiannon, das du nicht sehen kannst, weil du es nicht sehen willst. Er ist nicht schrecklich, er hilft dir ... Ich glaube vielmehr, daß du Angst vor ihm hast, weil du weißt, daß er ein Rebell ist und du doch nicht in der Lage bist, ihn richtig zu hassen. Oder vielleicht siehst du ja etwas, was die Zukunft euch beiden bringt, und hast davor so viel Angst, daß ...«
»Rachel, ich sehe überhaupt nichts. Nichts, außer vielleicht ...«
»Außer was?«
»Blut. Immer noch mehr Blutvergießen«, sagte Rhiannon müde. »Und nun laß mich bitte damit in Ruhe. Ist dein Kaf-fee schon fertig? Ich könnte jetzt gut eine Tasse gebrauchen. Und der Schinken riecht ganz wunderbar.« Rhiannon schien zu zögern, bevor sie mit ganz sanfter Stimme weitersprach: »Deinem Rebellen-Colonel wird gefallen, was für ein schönes Mahl du ihm bereitet hast.«
Auch Julian konnte jetzt den angebratenen Schinkenspeck riechen. Er hatte schon so lange nichts mehr gegessen, daß sein Magen nun augenblicklich zu knurren begann und ihm beinah weh tat. Schinken und Kaffee - leckeres selbstgemachtes Frühstück...
Aber eigentlich war es nicht der Schinken, dessentwegen sich sein Magen zusammenkrampfte. Es war die Kälte in Rhiannons Stimme gewesen, und ihr Hinweis darauf, daß sie sich immer noch in diesem wohl niemals enden wollenden Krieg befanden - und zwar auf unterschiedlichen Seiten.
Wie seltsam, er war so weit weg von ihnen, daß er nur ihre Stimmen hören konnte, aber trotzdem hatte er das Gefühl, als ob er Rhiannons Gesichtsausdruck gesehen hätte, als sie das sagte. Als ob er den eisigen Blick ihrer wunderschönen Augen gespürt hätte. Wie anders sich manche Dinge doch am Tag verhielten. Er wußte noch gut, wie elend ihr letzte Nacht gewesen war, und sah jetzt wieder ihren gequälten Ausdruck und die ungewöhnlich zarte, ja geradezu zerbrechliche Schönheit ihres Gesichts.
Sie hatte so verletzlich ausgesehen, und in ihren Augen hatte so viel Vertrauen zu ihm gelegen, auch wenn es nur ein paar Minuten angedauert hatte. Und er erinnerte sich an den sanften Klang ihrer Stimme, als sie zu ihm gesagt hatte: Ich will nicht, daß du mich so siehst ... Aber das war vergangene Nacht gewesen, und nun war es wieder helllichter Tag.
Sie würde ihn also abermals verraten, wenn sich ihr die Möglichkeit bot. Nun, er wollte schon dafür sorgen, daß sie die Gelegenheit dazu nicht bekam.
7
Captain McKenzie?«
Brent McKenzie - seines Zeichens Militärarzt bei der Division von General Longstreets Kompanie in der Armee von Nordvirginia - saß über seinen Schreibtisch gebeugt und ging die Liste der Männer durch, die er im Feld behandelt hatte, wobei er entsprechende Vermerke machte, ob sie ihren Dienst wieder antreten konnten, in ein Lazarett verlegt werden mußten - oder ob man ihre sterblichen Überreste am Rande des Lagers verbrannt oder in billigen Nadelholzsärgen zu ihren Familien geschickt hatte.
Als er seinen Namen hörte, sah er auf: Colonel Samuel Wager, einer der Adjutanten von Stabsarzt L. Guild - ebenfalls der Longstreet-Division angehörig und Brents Vorgesetzter -, stand dort unter den zurückgeschlagenen Eingangsplanen des Zelts, das ihm gleichzeitig als Büro und Schlafstätte diente. Brent wollte sich gerade erheben, aber da hob Wager abwehrend die Hand, kam herein und nahm in einem mit Leinen bespannten Klappstuhl vor Brents Schreibtisch Platz.
»Führen Sie Buch?« fragte er dann.
»Das ist vorgeschrieben«, entgegnete Brent.
»Als ob man hier nicht genug zu tun hätte. Ich habe übrigens kürzlich eine medizinische Abhandlung von Ihnen gelesen. Sie war hervorragend.«
Brent lächelte höflich, konnte sich aber nicht daran erinnern, daß er in letzter Zeit irgendeinen Aufsatz über seine Tätigkeit verfaßt hätte. Briefe, ja, er schrieb regelmäßig Briefe.
Die Hauptursache für das Sterben der Männer im Feld waren nicht die Kugeln der Yankees. Die meisten konföderierten Soldaten starben an ganz gewöhnlichen Krankheiten. Deshalb schrieb er häufig an die Behörden, den Kongreß, an Jeff Davis - den oberkommandierenden Arzt - und an alle möglichen Leute; die ihm eventuell Gehör schenkten. Man konnte eine Menge Leben retten, indem man einfach nur die Verpflegung und die Trinkwasserqualität
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