Sieg des Herzens
Sie wußten ja, daß ihr hier nichts passiert«, sagte er mit schneidender Stimme, während seine Augen sie eiskalt anblickten.
War das wirklich derselbe Mann, der letzte Nacht im Dunkeln zu ihr gekommen war und sie im Arm gehalten hatte, als sie durch die Hölle ging? Jetzt sah er sie mit einem so gestrengen Blick an, als habe sie ein schweres Verbrechen begannen.
»Das ist doch wohl nicht Ihr Ernst...«, versuchte sie sich zu verteidigen, wurde aber von ihm unterbrochen.
»Doch, es ist mir todernst damit. Schauen Sie sich doch mal um, wo Sie hier sind.«
Rhiannon blickte sich um und stellte fest, daß sie wirklich schon ziemlich weit von der Stelle entfernt war, an der ihr Kleid lag. Es sah tatsächlich so aus, als ob sie vorgehabt hätte, direkt zum Fluß zu schwimmen.
»Sie müssen mich ja für eine ziemlich gute Schwimmerin halten.«
»Ich hätte nie gedacht, daß Sie bis hierher kommen würden. Aber ich sollte eigentlich wissen, daß man Sie nicht unterschätzen darf.«
Als ihr plötzlich durch den Kopf ging, daß er womöglich ganz nackt war, befeuchtete sie nervös ihre Lippen. Sein Oberkörper war es zumindest, und sie stellte fest, daß er gar nicht so hager war, wie sie vermutet hatte. Seine
Brustmuskulatur war sehr gut ausgeprägt, und seine Bauchmuskulatur ebenso. Ihr Blick folgte den sich deutlich abzeichnenden Muskeln, blieb kurz an seinem Nabel hängen, und unwillkürlich versuchte sie zu ergründen, was sich unterhalb der Wasseroberfläche befand ...
Nein, er war nicht nackt, sondern trug lange Unterhosen. Unbewußt hatte sie den Atem angehalten, bis sie sich davon überzeugt hatte, daß er nicht im Adamskostüm vor ihr stand. Erleichtert atmete sie aus, und als sie wieder zu ihm hochblickte, stellte sie fest, daß er wohl ihre Gedanken gelesen hatte. Um die Situation zu retten, wiederholte sie noch einmal, was sie zuvor gesagt hatte: »Sie haben doch nicht wirklich gedacht, daß ich vorhatte, nach St. Augustine zu schwimmen?«
»Nur Gott weiß, was Sie noch alles versuchen werden. Aber Sie hätten ja nicht den ganzen Weg bis dorthin schwimmen brauchen, sondern bloß das andere Ufer erreichen müssen.«
»Wenn Sie so viel Angst davor haben, was ich womöglich tun könnte, warum haben Sie mich dann unbedingt...«
»Was habe ich?« fragte er in scharfem Ton, als sie nicht weitersprach.
Sie hob das Kinn und antwortete: »Am Leben halten wollen?«
Er nahm sich Zeit mit der Antwort, wobei sie das Gefühl hatte, als wolle er sie mit seinem Blick durchbohren.
Schließlich sagte er: »Ich habe genug Tod und Zerstörung gesehen. Kugeln reißen den Menschen Löcher ins Fleisch, und der Tod eines geliebten Menschen hinterläßt eine Lücke im Leben der Hinterbliebenen. Jede Verschwendung von Leben ist Sünde.«
Spöttisch lächelnd sah sie ihn an. »Wie tiefsinnig, Colonel! Sagen Sie das jeder Frau, die zu Ihnen in die Praxis kommt?«
»Nein. Und verlieren Sie immer das Gedächtnis, nachdem Sie einen Mann verführt haben, weil Sie unter Drogen standen?«
Wütend trat sie einen Schritt auf ihn zu, um ihn zu ohrfeigen, aber er hatte ihre Reaktion vorausgesehen, packte sogleich ihren Arm und zog sie an sich, bevor sie noch zuschlagen konnte. Beide waren sie klatschnaß, sein Oberkörper war frei, und auch sie hatte fast nichts an. Als ihre Körper sich berührten, wurde sie sich beinah schmerzlich seiner Vitalität bewußt: Die Wärme, die von ihm ausging und die Kraft seiner Muskeln schienen sie zu verbrennen. Sie spürte seinen Atem an ihrem Hals und das Heben und Senken seines Brustkorbs. Am liebsten hätte sie ihm über die Schultern und seine starken Arme gestreichelt.
Richard! Abgesehen von der immer wieder geträumten Szene seines Todes war es nun schon so lange her, daß sie ihn gesehen, gespürt und seine Zärtlichkeiten genossen hatte, daß sie sich kaum noch daran erinnern konnte, wie sie sich geliebt hatten ...
Julian hielt sie immer noch grob fest. Er schien ungehalten, aber auch ungeduldig. Sein Blick aus kobaltblauen Augen war starr auf sie gerichtet, und sie sah, wie das Wassers sich darin spiegelte. Dann glitten seine Finger plötzlich zu ihrem Kinn und hoben es zu sich hoch. Sein Blick brannte sich nun regelrecht in ihren, während er sich immer weiter zu ihr hinunterbeugte. Nervös befeuchtete sie ihre Lippen und versuchte verzweifelt, ihren Kopf zur Seite zu drehen und sich von ihm loszumachen. Sie hätte am liebsten laut geschrien, da sie ganz genau wußte, was er vorhatte
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