Sieg des Herzens
ausholenden Zügen in Richtung Ufer schwamm. Er war ein ausgezeichneter Schwimmer - nichts Ungewöhnliches für einen Mann, der in einem Staat aufgewachsen war, in dem die Tage häufig sehr lang und unerträglich heiß waren und es an jeder Wegbiegung Wasser gab. Er gehörte in dieses Land, das er so liebte - so wie sie auch.
Rhiannon folgte ihm ein wenig langsamer, sich nur allzu bewußt, daß sie kaum etwas anhatte. Als sie schließlich das Ufer erreichte und aus dem Wasser stieg, war sie peinlich berührt davon, wie ihr das nasse Unterhemd am Körper klebte. Aber er hatte ihr den Rücken zugekehrt und beachtete sie überhaupt nicht; sie ihn hingegen schon. Seine baumwollenen, langen Unterhosen waren ganz schön abgetragen, an einigen Stellen geradezu fadenscheinig. Und sie ertappte sich dabei, wie sie zur Kenntnis nahm, daß ihm die triefnassen Hosenbeine eng an den Schenkeln und am Gesäß anlagen, wodurch sich jeder Muskel einzeln abzeichnete.
Aber es blieb ihr nicht viel Zeit, sich noch eingehender damit zu beschäftigen, da er sogleich - tropfnaß, wie er war -, in seine Hosen stieg und sich sein Hemd über die Schultern warf. Immer noch barfuß, drehte er sich nun zu ihr um und hielt ihr eine Hand hin, um ihr aus dem Wasser zu helfen.
»Ich kann das schon allein«, protestierte sie mit den Armen vor der Brust, den Blick verschämt aufs Wasser gerichtet. Aber als er ungeduldig schnaubte, sah sie auf und bemerkte, daß er sie dabei überhaupt nicht ansah. Trotzdem wiederholte sie: »Ich kann das schon allein ...«
»Komm jetzt da raus! Es gibt wirklich nichts, das du vor mir verbergen müßtest, weil ich es noch nicht gesehen hätte.«
»Du bist bestimmt kein Südstaaten-Gentleman...«
»Willst du, daß ich mich noch schlechter benehmen muß?«
Zähneknirschend ergriff sie schließlich seine Hand, und er zog sie ans Ufer. Dann nahm er ihr schwarzes Trauerkleid vom Boden auf und reichte es ihr. Zitternd streifte sie das Kleid über ihr nasses Unterhemd und versuchte dann, ihre Strümpfe über die nassen Beine zu ziehen. Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als ein weiches, sauberes Handtuch. Leider hatte sie keins. Das wäre hier draußen wohl auch der reinste Luxus gewesen, dachte sie. Schließlich gab sie auf, rollte die Strümpfe zusammen und schlüpfte mit bloßen Füßen in die Schuhe.
»Gehen wir!« sagte er ungeduldig.
»Wohin denn? Wir sind doch schon am Fluß ...«, entgegnete sie. Aber wohl nicht ganz an der Stelle, wo ich zu sein glaube, dachte sie bei sich.
Julian wollte ihr eigentlich nicht mehr Informationen über ihre genaue Position geben als unbedingt notwendig, aber da er sich nun richtig Sorgen um Jerome machte, entschied er sich schließlich doch dazu, ihr zu sagen, wo genau sie sich befanden.
»Der Bach fließt hier um eine Art Halbinsel, und erst auf der anderen Seite wird das Wasser so tief, daß auch ein Schiff landen kann.«
Dann faßte er sie bei der Hand und zog sie mit sich. Schnell kamen sie zurück zu der Stelle, an der die Zelte verstreut im Kiefernwald standen. Sie ließen sie hinter sich und folgten einem anderen Pfad, der diesmal direkt zum Fluß zu führen schien. Schon bald konnte Rhiannon von weitem ein Segel erkennen. Nach ein paar weiteren Schritten sah sie, daß mitten im Fluß bereits ein Schiff vor Anker lag und kleinere Boote sich gerade in Richtung Ufer bewegten.
Julian drehte sich zu ihr um und sagte: »Du hattest recht,
da ist er!«
Julians Schwester stand bereits wartend mit ein paar anderen Angehörigen der Florida-Miliz, die Rhiannon schon im Lager gesehen hatte, an der Anlegestelle. Sie schien große Angst zu haben.
»Du solltest allein weitergehen. Deine Schwester wird bestimmt nicht wollen, daß ich dir assistiere, wenn du einen eurer Verwandten behandelst«, sagte Rhiannon.
Aber er ließ sie nicht los, sondern erwiderte statt dessen: »Das wird sie wohl müssen, denn sie möchte ja, daß er am Leben bleibt. Und ich übrigens auch.«
Am Ufer angekommen, gab er ihre Hand dann doch frei und ging ein paar Schritte ins Wasser, um dabei zu helfen, ein kleines Boot an Land zu ziehen, in dem sich drei Männer befanden. Einer ruderte, und ein anderer hielt den Kopf des dritten Mannes, den man in eine Decke gehüllt hatte. Der Ruderer sprang kurz vor der Uferbefestigung behende ins Wasser und half Julian, das Boot zu vertäuen.
Der Mann mit der Decke legte nun einen Arm um die Schultern des Mannes, der ihm zuvor den Kopf gehalten hatte, stieg aus dem
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