Sieg des Herzens
Jerome«, schnaubte Julian verächtlich.
»Sei bitte ruhig, Julian, sie versucht doch nur, ihm klarzumachen, daß es besser ist, noch liegenzubleiben!« sagte Risa aufgeregt.
»Tatsächlich! Na dann, Mrs. Tremaine, fahren Sie bitte fort.«
Rhiannon biß die Zähne zusammen, ließ sich aber durch Julians Bemerkung nicht aus dem Konzept bringen. »Eine riesige Woge wird Ihr Schiff ergreifen, und Sie werden stürzen. Dadurch bricht die Wunde wieder auf, sie wird stark bluten, und Sie verlieren das Bewußtsein.«
»Werde ich sterben?«
»Ohne Sie am Steuer wird Ihr Schiff dem Sturm nicht standhalten können. Es wird untergehen und mit ihm die gesamte Besatzung.«
»Ich bin noch sehr jung, Jerome«, schaltete sich nun David Stewart ein, »ich will noch nicht sterben, und schon gar nicht wegen so eines blöden Unwetters!«
Jerome lächelte verschmitzt, sah erst zu David und dann wieder zu Rhiannon. »Und was, wenn ich nicht segle?«
Rhiannon hatte gedankenverloren Jeromes wunderschöne Frau angesehen, deren Augen voller Hoffnung auf ihr ruhten. Auch Risa war eine Yankee und mit diesem Kerl verheiratet - dem Schrecken der sieben Weltmeere. Eigentlich hätte Rhiannon ihn sterben lassen sollen. Aber sie fühlte die Wärme in Risas Blick, ihre Dankbarkeit, und dann dachte sie, daß sie ja niemanden verraten würde, wenn sie dieser Frau half — immerhin war sie die Tochter eines Unionsgenerals.
Deshalb sagte sie schließlich: »Sie werden nächstes Jahr noch ein Kind bekommen.«
»Oh!« entfuhr es Risa, und sie wurde ganz rot, daß alle sie anstarrten.
Ihr Ehemann fragte breit grinsend und sichtlich amüsiert: »Junge oder Mädchen?«
»Noch einen Jungen.«
»Werde ich überleben, um ihn zu sehen?«
»Ja, Sie werden leben«, entgegnete Rhiannon sanft.
Jerome musterte sie aufmerksam, und seine Lippen kräuselten sich ein wenig, als er fragte: »Werde ich auch den Krieg überleben?«
»Ich denke schon.«
Dann lehnte er sich wieder in die Kissen zurück, und seine Frau, die am Kopfende des Bettes stand, legte ihm fürsorglich eine Hand auf die Schulter. Ohne den Blick von Rhiannon zu nehmen, sagte er achselzuckend, aber zärtlich die Hand seiner Frau berührend: »Nun, dann werde ich wohl doch noch ein paar Tage im Bett aushalten müssen, denke ich.«
»Das ist ja mal wieder typisch!« brummte Julian entrüstet. »Wir geben uns alle Mühe und erklären dir stundenlang die Risiken einer Infektion oder daß du vielleicht ver-bluten könntest, und dann kommt eine Yankee hier rein und überzeugt dich mal eben.« Zu Risa gewandt, sagte er dann etwas freundlicher: »Er braucht...«
»Ja, ich weiß, Julian, kalte Umschläge. Ich hab' schon gemerkt, daß er ein bißchen fiebrig ist.«
»Verdammt, Julian, jetzt sei doch nicht gleich beleidigt«, meldete sich nun wieder Jerome zu Wort. »Ich meine, ich dachte, ich würde sterben, wenn ich nichts tue. Und da wäre es doch besser gewesen, aufzustehen und mich vorher noch ein bißchen nützlich zu machen. Aber dann kam sie hier rein und hat mir klargemacht ...«Er hielt inne, sah wieder zu Rhiannon, ergriff ihre Hand und zog sie etwas näher zu sich heran: »Ich habe schon eine Menge von Ihnen gehört, Mrs. Tremaine. Schon vor dem Krieg.« Dann sah er zu Julian hinüber und fragte: »Erinnerst du dich noch an Rede Corley?«
»Ja, er gehörte zu den Jungs, die man gleich der Artillerie zugeteilt hat, als die ersten Kämpfe entbrannten«, entgegnete Julian.
»Sie hat ihn davon abgehalten, ein wurmzerfressenes altes Beiboot zu benutzen, als er eines Tages unbedingt zum Fischen gehen wollte«, erklärte Jerome. »Er hat damals für ihren Vater gearbeitet.«
Zu Julian gewandt, warf Rhiannon schnell ein: »Ich habe ihn natürlich vor dem Krieg gerettet. Damals war er noch nicht der Feind.«
»Aber ich bin es jetzt«, entgegnete Jerome. »Vielleicht versuchen Sie ja nur, mich von einem für die Rebellen wichtigen strategischen Schachzug fernzuhalten.«
Rhiannon zögerte, bevor sie kaltschnäuzig konterte: »Vielleicht versuche ich aber auch nur, Sie am Leben zu erhalten, damit Ihre Frau die Gelegenheit hat, Ihnen irgendwann genug Vernunft beizubringen. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen wollen.«
Mit diesen Worten drehte sie sich auf dem Absatz um und verließ das Zelt. Am ganzen Körper zitternd, lief sie so schnell sie konnte zurück zu ihrer Behausung. Bestürzt stellte sie fest, daß jemand hinter ihr herkam und ihr nachrief: »Noch einmal vielen Dank!«
Abrupt blieb
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