Sieg des Herzens
sie stehen, rührte sich für einen Augenblick nicht vom Fleck, drehte sich dann ruckartig zu ihm um und fragte herausfordernd: »Eine Yankee, aber vielleicht was ..., Colonel?«
Er lächelte selbstsicher und schien sie nur ein ganz klein wenig spöttisch anzusehen, als er achselzuckend antwortete: »Vielleicht bekommen Sie ja auch bald einen McKenzie.«
Sie hielt seinem Blick stand und wünschte plötzlich, sie würde es wagen, sich ihm auch so in die Arme zu werfen wie die beiden anderen Frauen. Sie wollte lachen und weinen und mit den Fäusten gegen seinen Oberkörper trommeln und von ihm verlangen, daß er ihr ganz genau erzählte, was passiert war. Aber das konnte sie natürlich nicht tun. Sie fühlte sich auch so schon viel zu sehr zu ihm hingezogen, war geradezu fasziniert von ihm. Allein seine
Stimme ließ ihr Inneres erbeben, und sie brauchte ihn nur anzusehen, nur zu berühren, um sich ihm so nah zu fühlen, daß sie ... Aber sie konnte doch nicht noch einmal für einen Mann empfinden, was sie für Richard empfunden hatte. Sie durfte Richard nicht betrügen.
Deshalb sagte sie schließlich: »Colonel, ich heiße Tremaine, und wenn ich ein Kind bekomme, wird es bestimmt kein McKenzie sein.«
Aber ihre Worte schienen ihn überhaupt nicht zu interessieren. Unbeirrt nahm er seinen Fuß vom Stamm, kam auf sie zu und erklärte, immer noch mit leicht belustigtem Lächeln: »Sie sagten doch, daß Sie Richard bestimmt schon ein Jahr lang nicht mehr gesehen hätten. Kein Toter erscheint einem im Traum und zeugt ein Kind, Mrs. Tremaine. Das lernt man schon ganz am Anfang, wenn man sich ein bißchen näher mit der Medizin beschäftigt. Es tut mir leid, daß Sie sich uns nicht anschließen möchten, aber ich für meinen Teil und mein abgerissener, dürrer, mitleiderregender Körper sterben beinah vor Hunger. Und da uns ein wunderbares Abendessen versprochen wurde, überlasse ich Sie Ihrem Selbstmitleid.«
Daraufhin verneigte er sich äußerst korrekt vor ihr und ließ sie stehen.
11
Rhiannon kehrte allein zu ihrem Zelt zurück und blieb dort. Wenig überrascht stellte sie bald fest, daß sie keine Ruhe finden konnte. Trotzdem machte sie sich bettfertig und versuchte dabei, sich einzureden, daß sie wirklich müde sei und Schlaf brauchte. Auch wenn sie sich für kurze Momente nicht besonders gut fühlte, da sich die Entzugserscheinungen natürlich immer noch bemerkbar machten, wußte sie genau, daß das nicht der wahre Grund für ihre Rastlosigkeit war. Am liebsten wäre sie doch noch zu den McKenzies hinübergegangen, um zu sehen, was sie taten und worüber sie sprachen.
Rachel hatte darin kein Problem gesehen, und als sie spät in der Nacht in ihr gemeinsames Zelt zurückkehrte, sagte sie, daß sie sehr müde sei, weil sie so lange an Captain Jerome McKenzies Bett gewacht habe. Danach habe sie im Zelt von Colonel Julian McKenzie zu Abend gegessen. Die McKenzies seien ganz reizende Leute, und nicht nur nett und freundlich zu ihr gewesen, sondern geradezu herzlich und so dankbar für ihre Hilfe.
»Natürlich sind sie Rebellen«, beendete Rachel ihren kurzen Bericht mit einem traurigen Seufzer, »aber so viele Menschen in diesem Staat sind Rebellen und waren alte Freunde deines Vaters, Rhiannon, alles gute und anständige Menschen.«
»Ja, das weiß ich, Rachel. Aber nun haben wir Krieg. Außerdem habe ich nie behauptet, daß alle Rebellen schlechte Menschen seien. Aber das heißt noch lange nicht, daß wir uns mit dem Feind verbrüdern müssen.«
»Ich habe nur mit ihnen zu Abend gegessen«, entgegnete Rachel empört, drehte Rhiannon den Rücken zu und murmelte ein »Gute Nacht«.
Rhiannon lag noch lange wach, fühlte sich elend und überlegte, warum die Welt nur so verkehrt war ...
Und in dieser Nacht kam niemand zu ihr.
Jerome war nicht gerade ein Musterbeispiel eines Patienten. Obwohl er ganz genau wußte - auch ohne daß David und Julian es mehrmals betonten daß sich die Wunde immer noch entzünden und er an einer Infektion sterben konnte, wollte er nach nicht ganz zwei Tagen nach der Operation unbedingt aufstehen und sich nützlich machen.
Rhiannon hatte sich bewußt von seinem Krankenlager und der Familie McKenzie ferngehalten. Der junge Liam brachte ihr das Essen ins Zelt, und sie wechselte Paddys Verband und kümmerte sich auch noch um ein paar andere Kranke im Lazarettzelt. Aber sie nahm auch weiterhin an keinem Familientreffen der McKenzies teil, sondern machte sich so unsichtbar wie möglich.
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