Sieg des Herzens
erwiderte den Gruß, saß ab und zog seine abgetragenen, senffarbenen Reithandschuhe aus, um Julian die Hand zu geben.
»Ich bin Captain Christopher Rogers, von der regulären Armee in Georgia, Doktor. Corporal Evan Haines und Gefreiter Justin Ewell begleiten mich. Ich fürchte, ich habe offizielle Meldungen der Konföderierten von der Front.«
»Werden wir hier abgezogen?« fragte Julian, der höflich den Händedruck des Mannes erwiderte, während er sich überlegte, wie sein Bruder so genau Bescheid wissen konnte, was im feindlichen Lager geplant wurde.
Erstaunt zog Captain Rogers eine Augenbraue in die Höhe und sagte: »Eigentlich wollte ich Ihnen das ganz schonend beibringen, da die Befehlshabenden genau wissen, welche Probleme es hier in Ihrem Heimatstaat gibt.«
»Natürlich«, murmelte Julian, »und wir kämpfen ja für die Selbstbestimmungsrechte der Südstaaten, nicht wahr?«
Als er die Verbitterung in Julians Stimme vernahm, zog Rogers seine Augenbraue noch ein bißchen höher.
Daraufhin schüttelte Julian bedauernd den Kopf und fügte hinzu: »Es tut mir leid, Captain, aber darf ich Sie jetzt vielleicht in mein Zelt bitten? Ich habe zufällig noch ein bißchen Brandy da, der nicht unmittelbar für medizinische Zwecke gebraucht wird.«
»Ja, gern, Dr. McKenzie.«
Julian wies dem Hauptmann die Richtung zu seinem Quartier und sagte zu Paddy: »Kümmerst du dich bitte um seine Männer?«
»Jawohl, Sir.«
Im Zelt angekommen, hieß Julian den Hauptmann Platz zu nehmen und goß ihm und sich erst einmal ein ordentliches Glas Brandy ein. Als er Rogers Gesichtsausdruck sah, während dieser fast ehrfürchtig an dem Getränk nippte, fühlte sich Julian beinah schuldig, weil es ihm wohl noch verhältnismäßig gutging. Rogers hatte offensichtlich schon seit Ewigkeiten keinen Brandy mehr getrunken. Der Hauptmann war noch von altem Schrot und Korn und nach wie vor bereit, jedwede Strapaze auf sich zu nehmen und sich in Enthaltsamkeit zu üben; wie er sicher auch jedem Befehl ohne Widerrede Folge leistete.
Dadurch wurde sich Julian erst richtig bewußt, wieviel Glück er selbst bisher gehabt hatte. Zwar waren beinah alle Truppen aus Florida abgezogen worden, und er konnte auch von der konföderierten Regierung keinerlei Unterstützung mehr erwarten, aber er hatte immerhin Jerome, der sich darum kümmerte, daß er und seine Jungs mit dem Notwendigsten versorgt wurden. Oft genug gelang es auch seiner Mutter - obwohl sein Vater der Union nach wie vor treu ergeben war -, ihm Schinken und Trockenfleisch von ihrer Plantage in Tampa zu schicken. Auch von seinem Onkel James, der weiter unten im Süden wohnte, erhielt er häufig Verpflegungssendungen. Denn nach wie vor waren viele Gebiete in Florida auf dem Seeweg relativ leicht zugänglich, da es sich bei dem Staat um eine Halbinsel handelte. Aber wenn er nun abkommandiert würde, wären diese Zeiten vorbei.
Captain Rogers seufzte regelrecht vor Begeisterung, als er den zweiten Schluck nahm, und sagte: »Ich bin Ihnen dafür wirklich zu Dank verpflichtet, Dr. McKenzie.«
»Und ich bin sehr froh darüber, daß er ihnen so gut schmeckt, und denke, wir können noch ein bißchen mehr davon entbehren.«
Lächelnd schob Rogers ihm sein Glas hin.
»Ich habe gehört, daß Ihr Vetter angeschossen wurde und sein Schiff hier vor Anker liegt. Das wissen die Yankees auch, da können Sie sicher sein. Sie müssen aufpassen!«
»Ja, das ist den Yankees bestimmt bekannt«, pflichtete Julian ihm bei und wartete, was Rogers ihm noch zu berichten hatte.
»Gut, kommen wir zur Sache. Ich soll Ihnen mitteilen, daß Sie sich in fünf Tagen südlich von Jacksonville im Hauptquartier zu melden haben. Man wird Sie in die reguläre Armee versetzen und nach Norden schicken, wo Sie im Chirurgenteam der Armee von Nordvirginia arbeiten sollen.«
»Mit meiner ganzen Kompanie?«
»O nein, Sir. Man wird einen jungen Arzt herbeordern, aber natürlich können Sie Ihre Assistenten mitnehmen.«
»Warum wurde ich dazu ausgewählt?«
Achselzuckend erwiderte Rogers: »Sie haben gewissen Leuten in geradezu aussichtsloser Situation das Leben gerettet und Briefe geschrieben, die sich mit den hygienischen Verhältnissen...«
»Diese Briefe waren an meinen Vetter gerichtet«, unterbrach Julian ihn stirnrunzelnd.
»Ja, und Ihr Vetter Captain Brent McKenzie hat einige Passagen daraus in seinen Ersuchen zitiert, wenn er um Nachschub bat, der die Bedingungen bei Operationen auf dem Schlachtfeld verbessern
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