Sieg des Herzens
Rhiannon stehen und drehte sich um. Es war Risa McKenzie. Auch sie war stehengeblieben und stemmte nun kopfschüttelnd die Hände in die Hüften, bevor sie mit gedämpfter Stimme fortfuhr: »Sie sind wirklich ganz erstaunlich, Mrs. Tremaine. Und wie Sie das alles vorhergesehen haben...«
Rhiannon zögerte, entschied sich dann aber doch, die Wahrheit zu sagen. »Wenn ich ehrlich bin, Mrs. McKenzie, habe ich überhaupt nichts gesehen. Aber ich dachte, wenn die anderen Leute glauben, daß ich ...«
Da fing Jeromes Frau an zu lachen, streckte die Arme nach Rhiannon aus, umarmte und drückte sie ganz fest, während Rhiannon stocksteif dastand.
»Danke, vielen Dank! Wenn ich irgend etwas für Sie tun kann...«
Etwas unangenehm berührt, machte sich Rhiannon von ihr los und sagte: »Wenn Sie vielleicht nicht herumerzählen würden, daß ich gelogen habe.«
»Bestimmt nicht! Niemals!« versprach Risa. »Also ich kann nur wiederholen, wenn ich irgend etwas für Sie tun kann...«
»Vielleicht können Sie das wirklich. Wenn Sie nach St. Augustine zurückkehren, würde ich gerne mit Ihnen kommen.«
»Ja, das habe ich schon gehört.«
»Ich möchte mich im Norden um die Verwundeten kümmern. Auf dem Schlachtfeld. Vielleicht können Sie das für mich arrangieren, wenn Sie Ihren Vater darum bitten?«
Lächelnd entgegnete Risa: »Mein Vater wird sehr froh sein, daß Sie sich um seine Verletzten kümmern wollen. Er denkt bestimmt, daß Gott ihm einen Engel geschickt hat.«
»Oder eine Hexe.«
»Frauen müssen doch manchmal ein bißchen von beidem haben, finden Sie nicht auch?« entgegnete Risa sanft.
»Ja, vielleicht. Und da wäre noch etwas!«
»Was?«
»Bitte sagen Sie Dr. McKenzie nicht, was ich vorhabe.«
»Warum denn nicht?« fragte Risa sichtlich überrascht.
»Sie wissen doch, wie Männer sind. Er denkt dann be-stimmt, daß ich das Schicksal leichtfertig herausfordere, wenn ich mich mitten aufs Schlachtfeld begebe.«
»Ah ... ja, ich weiß, was Sie meinen. Die Männer ziehen einfach in den Krieg und kämpfen, und wir sitzen zu Hause und wissen vor Angst nicht aus noch ein. Aber wir selbst sollen ja nichts tun, was gefährlich sein könnte! Ich verspreche Ihnen, daß Ihr Geheimnis bei mir gut aufgehoben ist«, fügte sie noch hinzu, bevor sie sich umdrehte, um zu ihrem Ehemann zurückzueilen.
Rhiannon sah ihr noch nach, bis sie wieder im Zelt verschwunden war.
Jedesmal, wenn Fremde zum Basislager der Rebellen in Florida kamen, herrschte schon lange vorher helle Aufregung. Mehrere Kilometer auf dem Weg dorthin am St. Johns entlang saßen Späher in Rufweite voneinander entfernt in den Bäumen, die alles, was sich zu Land oder zu Wasser dem Lager näherte, rechtzeitig auskundschafteten und die Botschaft getarnt als Vogelschrei weiterleiteten. Das war die einzige Möglichkeit, das Camp vor Angreifern zu schützen. Denn es lag in einem relativ leicht zugänglichen Teil der Sümpfe. Die Yankees in St. Augustine wußten, daß das Lager dort war. Aber bevor nicht irgendein General auftauchte, der wild entschlossen war, eine unverantwortlich hohe Zahl an Unionssoldaten zu opfern, würde man nicht versuchen, das Camp hochzunehmen.
Es gab eine merkwürdige Übereinkunft derer, die sich am Fluß aufhielten: Gefangene wurden ausgetauscht, Meldungen kamen und gingen. Häufig tauschte man sogar Tabak, Kaffee und Salz und andere Dinge des täglichen Bedarfs.
Kurz nachdem Rhiannon Jerome davon überzeugt hatte, daß es besser sei, noch etwas länger im Bett zu bleiben, wurden Männer gesichtet, die sich auf dem schmalen Zugangspfad dem Lager näherten. Die Yankees befanden sich derzeit nicht in Jacksonville, und als Julian und Paddy -der mit Krücken neben ihm stand - darauf warteten, daß die Reiter das Lager erreichten, meinte Paddy, die Yankees würden möglicherweise doch von Jacksonville aus weiter nach Süden Vordringen. Aber es handelte sich um drei Soldaten der regulären konföderierten Armee, wie die Späher wenig später berichteten. Sie gehörten scheinbar zu einer Einheit aus Georgia, obwohl man das immer schwerer beurteilen konnte. Julian hatte zwei Männern befohlen, ihnen entgegenzureiten und sie den Rest des Weges zu eskortieren.
Nun stand er auf dem Pfad, der zwischen den Kiefern hindurchführte, und beobachtete, wie die Männer ihre mitleiderregenden Klepper ins Camp führten. Er salutierte vor dem Offizier, einem hageren, alten Mann mit dichtem grauem Haar und einem ebensolchen Bart. Der Soldat
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