Siegel der Nacht: Mercy Thompson 6 - Roman (German Edition)
Silbertablett, wenn er sich zu übel aufspielt.«
Stefan kam auf die Beine, legte den Kopf schräg und schenkte mir ein kleines Lächeln – und plötzlich sah er schon viel mehr aus wie er selbst. »Du? Miss Kojote gegen den großen bösen Wolf? Das glaube ich nicht.«
Wahrscheinlich hatte er Recht.
»Darryl ist nicht mein Hüter«, erklärte ich beherzt.
Er schnaubte. »Nein. Aber wenn dir etwas passiert, während Adam weg ist, trägt Darryl die Verantwortung dafür.«
»So dumm ist Adam nicht.«
Er wartete.
»Herrgott nochmal«, sagte ich und rief Darryl zurück.
»Mir geht es gut«, sagte ich zu ihm. »Ich dachte, Stefan müsste vielleicht mal wieder vor die Tür und bin vorbeigefahren, um ihn abzuholen. Ich rufe dich gleich aus Kyles Einfahrt an, dann kannst du Adam anrufen und ihm sagen, dass ich sicher angekommen bin. Und du kannst ihm auch ausrichten, dass ich ganz gut auf mich selbst aufpassen kann, solange keine verrückten Feenköniginnen, Sumpfmonster oder größenwahnsinnige Vergewaltiger hinter mir her sind.«
Darryl atmete hörbar ein. Wahrscheinlich war es der Vergewaltigerkommentar, aber ich war es leid, das Thema zu verdrängen. Der Mann war tot und ich hatte ihn umgebracht. Die Alpträume waren sehr selten geworden und wenn sie doch einmal auftraten, hatte ich Adam, um mit mir zusammen gegen sie zu kämpfen. Adam ist genau der, den man in einem Kampf auf seiner Seite haben will, selbst wenn man nur gegen böse Erinnerungen kämpft.
»Du hast von Dämonen besessene Vampire vergessen«, sagte Stefan in die Stille. Vampire können genauso wie Werwölfe private Telefongespräche mithören – so wie ich eigentlich auch. Seitdem ich ins Hauptquartier des Rudels eingezogen war, hatte ich mich ziemlich in die SMS verliebt.
»Allerdings«, sagte Darryl. Seine Stimme klang jetzt gleichzeitig weich und rau. »Wir versuchen, dir Luft zum Atmen zu geben, Mercy. Aber es ist schwer. Du bist so zerbrechlich und …«
»Unbedacht?«, bot ich an. »Dämlich?« Ich hatte gerade meinen braunen Gürtel in Karate errungen und als Lebensunterhalt repariere ich Autos. Zerbrechlich war ich eigentlich nur im Vergleich zu Werwölfen.
»Überhaupt nicht«, widersprach er mir, obwohl ich schon gehört hatte, wie er mich als unbedacht und dämlich und noch eine ganze Latte weiterer, nicht gerade freundlicher Dinge bezeichnete. »Deine Fähigkeit, alles zu überleben, was dir vor die Füße geworfen wird, sorgt dafür, dass der Rest von uns noch Tage danach Medikamente gegen Sodbrennen nehmen muss. Ich finde nicht, dass Maalox toll schmeckt.«
»Ich bin in Sicherheit. Mir geht es gut.« Bis auf ein paar blaue Flecken von meinem Aufprall auf dem Klavier – und, als ich einen Schritt vortrat, ein wenig Schwindel durch den Blutverlust. Darryl würde meine kleine Notlüge allerdings nicht bemerken. Auch wenn er eine Lüge genauso gut wittern konnte wie jeder andere Werwolf, war er doch nicht der Marrock, der meine Lügen schon erkannte, bevor ich sie ausgesprochen hatte, und das sogar am Telefon. Außerdem war ich ja quasi in Sicherheit – zwar beäugte ich Ford wachsam, aber er hatte sich immer noch nicht bewegt.
»Danke«, sagte Darryl. »Ruf mich an, wenn du bei Kyle angekommen bist.«
Ich legte auf. »Ich glaube, mir persönlich war es lieber, als das Rudel mich noch tot sehen wollte«, erklärte ich Stefan. »Bist du bereit zum Aufbruch?«
Stefan streckte eine Hand aus und zog Ford auf die Füße – nur um ihn dann gegen die Wand zu rammen. »Du wirst Mercy in Ruhe lassen«, sagte er.
»Ja, Meister«, antwortete Ford, der sich nicht im Geringsten gewehrt hatte, als Stefan ihn durch die Gegend schob.
Jegliches Gewaltpotenzial verließ Stefans Körper und
er lehnte seine Stirn an die Schulter des größeren Mannes. »Es tut mir leid. Ich werde das in Ordnung bringen.«
Ford hob den Arm und tätschelte Stefan die Schulter. »Ja«, sagte er. »Natürlich wirst du das.«
Ich gebe zu, dass ich überrascht war, dass Ford mehr sagen konnte als »Gurgel, gurgel«.
Stefan löste sich von ihm und sah Rachel an.
»Gibt es in der Küche etwas zu essen?«
»Ja.« Dann schluckte sie schwer und sagte: »Ich könnte Hamburger machen und die anderen füttern.«
»Das wäre wunderbar, danke dir.«
Sie nickte, schenkte mir ein kleines Lächeln und verschwand in den Tiefen des Hauses – wahrscheinlich Richtung Küche. Ford folgte ihr wie ein großer Welpe … ein wirklich großer Welpe mit scharfen
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