Sieh dich nicht um
wie ein Ei dem anderen und vermittelte ihr ein Gefühl der Geborgenheit. In den Regalen neben dem Fernseher standen Bücher und Nippes, die sie alle ebenfalls auf Privatflohmärkten erstanden hatte.
Lacey wollte Tom schon erzählen, wie gerne sie auf Flohmärkten stöberte, doch sie verkniff sich diese Bemerkung.
Kein normaler Mensch richtete seine ganze Wohnung mit Gebrauchtmöbeln ein. Nein, dachte sie. Für gewöhnlich nimmt man beim Umzug seine eigenen Sachen mit. Also dankte sie Tom für das Kompliment und war erleichtert, als er vorschlug aufzubrechen.
Er ist so anders heute abend, fiel ihr auf, als sie einander gegenübersaßen, Wein tranken und Pizza aßen. Im Fitneßstudio grüßte er sie zwar immer höflich, benahm sich aber sehr reserviert. Wahrscheinlich war es ein spontaner Einfall gewesen, sie heute abend zur Premiere einzuladen.
Es machte Spaß, mit ihm zusammenzusein, und Lacey fühlte sich fast wie bei einem Rendezvous. Ihr wurde klar, daß sie sich zum erstenmal seit Isabelles Tod amüsierte. Tom Lynch antwortete offen auf ihre Fragen. »Ich bin in North Dakota aufgewachsen«, berichtete er. »Das habe ich Ihnen ja schon erzählt. Doch nach dem College habe ich nie mehr dort gelebt, sondern bin nach New York gezogen, um die Rundfunkszene so richtig aufzumischen. Natürlich habe ich es nicht geschafft. Ein weiser Mann hat mir den Rat gegeben, lieber in einer kleineren Stadt anzufangen, mir einen Namen zu machen und mich langsam hochzuarbeiten. Deshalb habe ich die letzten Jahre in
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Des Moines, Seattle und St. Louis verbracht und bin schließlich hier gelandet.«
»Immer beim Radio?« wollte Lacey wissen.
Lynch lächelte. »Ständig dieselbe Frage: Warum gehst du nicht zum Fernsehen? Ich wollte unabhängig sein, ein eigenes Konzept für eine Sendung entwickeln und ausprobieren, was sich machen läßt. Dabei habe ich eine Menge gelernt. Vor kurzem hat sich ein angesehener New Yorker Privatsender für mich interessiert, aber ich finde, dafür ist es noch zu früh.«
»Larry King war vor seiner Fernsehkarriere auch mal beim Radio«, sagte Lacey. »Der Wechsel hat ihm nicht geschadet.«
»Sie haben's erfaßt: Vor Ihnen sitzt der neue Larry King.« Sie hatten sich eine kleine Pizza geteilt. Nach einem kurzen Blick auf das letzte Stück legte Lynch es auf Laceys Teller.
»Nehmen Sie es«, protestierte Lacey.
»Ich habe wirklich keinen Hunger -«
»Ihnen läuft doch das Wasser im Mund zusammen.«
Beide brachen in Gelächter aus, und als sie ein paar Minuten später das Restaurant verließen und zum Theater auf die andere Straßenseite hinübergingen, hakte er sie unter.
»Sie müssen aufpassen«, sagte er. »Hier sind überall gefrorene Pfützen.«
Wenn du wüßtest, dachte Lacey. Mein Leben ist zur Zeit eine einzige Eisfläche.
Sie sah The King and I zum dritten Mal. Das letzte Mal war in ihrem ersten Studiensemester gewesen. Die Aufführung fand am Broadway statt, und ihr Vater saß im Orchestergraben. Schade, daß du heute abend nicht spielst, Jack Farrell, dachte sie. Als die Ouvertüre einsetzte, traten ihr Tränen in die Augen.
»Alles in Ordnung, Alice?« fragte Tom leise.
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»Schon gut.« Woher wußte Tom, daß sie traurig war?
Vielleicht kann er Gedanken lesen, dachte sie. Hoffentlich nicht.
Toms Cousine Kate Knowles spielte die Tuptim, das Sklavenmädchen, das aus dem Palast des Königs zu fliehen versucht. Kate war eine gute Schauspielerin mit einer ausgezeichneten Stimme. Etwa so alt wie ich, schoß es Lacey durch den Kopf. Vielleicht ein bißchen jünger. In der Pause lobte sie Kate überschwenglich. »Fährt sie zusammen mit uns zur Party?« erkundigte sie sich dann bei Tom.
»Nein. Sie fährt mit dem restlichen Ensemble hin. Wir treffen uns dort.«
Wenn ich Pech habe, ergibt sich keine Gelegenheit, mit ihr zu sprechen, sorgte sich Lacey.
Kate und die anderen Hauptdarsteller waren, wie Lacey bald merkte, nicht die einzigen »Stars« auf der Party. Auch Tom Lynch wurde ständig von einer Menschentraube umringt. Lacey verdrückte sich unauffällig, um sich statt Wein ein Mineralwasser zu holen. Doch als sie zurückkam, stellte sie fest, daß Tom sich mit einer attraktiven jungen Frau unterhielt, die zum Ensemble gehörte. Sie war offenbar beeindruckt von ihm und plauderte angeregt. Lacey beobachtete die beiden aus der Entfernung.
Man kann ihr keinen Vorwurf machen, überlegte sie. Er sieht gut aus und ist sympathisch. Auch Heather Landi hatte für ihn
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