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Sieh mich an, Al Sony

Sieh mich an, Al Sony

Titel: Sieh mich an, Al Sony Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denise Danks
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vom vergangenen Tag ab. Eine war von Charlie, der mir beinahe hysterisch von den Chips erzählte, eine von Shinichro, der wissen wollte, ob wir uns treffen könnten, und eine von Pal Kuthy, der sagte, Charlie habe ihm meine Nummer gegeben, und ob ich ihn nicht auf einen Drink treffen wolle. Er hatte eine Nummer hinterlassen, wo ich anrufen könnte. Ich notierte sie auf einen gelben Klebezettel, pappte ihn an meinen Computer und kramte meinen Terminkalender hervor. Ich überschlug die Daten. Drei Wochen in Kalifornien, seit anderthalb Wochen wieder hier, letzte Periode vor sechs Wochen. O Mutter!
     
    Charlie arbeitete in der Nähe der Liverpool Street; es war kein Problem, mit der Bahn von Bow hinzukommen. Pal Kuthy hatte zehn Minuten Verspätung, Debbie zwanzig. Die kuppelüberdachten Schickimicki-Champagnerbars hatten ihre besten Tage hinter sich, und Charlie hatte sie nie leiden können, aber ich sah, daß Debbie von dem biederen alten Pub, den er für diesen Anlaß ausgewählt hatte, enttäuscht war. Es roch nach Bier und Tabak, und die Vorstellung der Wirtin von Nouvelle cuisine erschöpfte sich in kleineren Portionen Steak-and-Kidney-Pie. Als Debbie sich auf die Toilette verzog, stellte Charlie den Small talk ein und kam zur Sache.
    »Okay. Raus damit. Wieso warst du bei der Bank?« fragte er leise. Ich deutete mit dem Daumen hinter der verschwindenden Debbie her.
    »Weiß sie es nicht?«
    »Nicht, daß du den Schlüssel hattest.«
    »Ich wollte die Nummern haben. Ich habe da jemanden, der den Chipmarkt kennt. Er hätte mir sagen können, wo sie herkamen.«
    Pal reichte seine Marlboro-Schachtel herum. Probehalber nahm ich eine, und als wir alle Feuer bekommen hatten, zwang mich der bittere Geschmack, den ich erwartet hatte, das Ding gleich wieder auszudrücken; ich zerbrach die Zigarette wie einen Zweig im Aschenbecher und verkrümelte den ganzen Tabak. Es sah nach Nervosität aus, und als ich aufblickte, starrten die beiden Männer mich an.
    »Wieso müssen Sie das wissen?« fragte Pal.
    »Wo sie herkamen? Ich wollte eine Story schreiben, über den Mann, der sie verloren hat. Über den legendären Al Sony«, sagte ich.
    Die beiden Männer schauten mich weiterhin an, und das Schweigen wirkte feindselig. Die Sache wurde heikel.
    »Glaubt ihr vielleicht, ich habe sie genommen?«
    Keine Antwort. Charlie schnippte nervös mit seinem knochigen Daumen am Filter seiner Zigarette herum. Pal lehnte sich zurück, schlug die Beine übereinander und grinste selbstgefällig. Sein dicker schwarzer Schnurrbart glänzte in dem Tageslicht, das durch die Tür in den dunklen Pub hereinschien.
    »Ich hatte doch einen Schlüssel. Warum sollte ich deine Wohnung auf den Kopf stellen?«
    »Täuschungsmanöver?« erwog Pal lächelnd.
    Debbie war verachtungsvoll tänzelnd auf dem Weg zurück zu unserem Tisch; mit Grausen nahm sie zur Kenntnis, daß ein Gentleman, der zu alt war, um es besser zu wissen, ihr Platz gemacht hatte und ihr jetzt zum Gruß und in Erwartung einer Belohnung zuzwinkerte. Ihre rotgeschminkten Lippen schmollten mit voller ; Kraft. Wenn sie ein Kumpel gewesen wäre, hätte ich ihr verraten, daß ein bißchen Lippenstift an ihren etwas großen Schneidezähnen klebte, aber sie war keiner, und so ließ ich sie kommentarlos einen ihrer Seufzer mit fest zusammengebissenen Zähnen tun, auf die sie spezialisiert war. Sie sah aus, als ob sie Tomaten durch die Vorderzähne passiert hätte. Charlie tätschelte ihr das Bein, und Pal wandte sich wieder mir zu.
    »Haben Sie sonst noch jemandem von den Chips erzählt?« erkundigte er sich.
    »Nein«, log ich.
    »Auch nicht dem Mann, der Ihnen helfen sollte?«
    »Nein.«
    »Es stand doch in der Zeitung«, unterbrach Debbie und deutete mit einem langen Fingernagel auf mich. »Sie hat mich dazu gebracht, ihr Charlies Foto zu geben. Jetzt weiß jeder davon, dank ihr.«
    Der Essensgeruch machte mich verrückt. Ich reckte mich, um einen Blick auf die Speisetafel zu werfen: Steak-and-Kidney-Pie mit Kartoffelpüree und Erbsen, mit Pommes und Erbsen, mit Würstchen, weißen Bohnen und Kartoffelpüree, mit Würstchen, weißen Bohnen und Pommes...
    »Ich bin am Verhungern. Essen wir jetzt?« fragte ich und erhob mich halb. Die anderen schauten mich immer noch mißtrauisch an. Ich setzte mich wieder und starrte trotzig zurück.
    »Ich habe Hunger, Herrgott noch mal«, sagte ich.
    Debbie seufzte. »Ich eigentlich auch.«
    Sie und ich blieben wortlos nebeneinander sitzen, während Charlie

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