Sieh mich an, Al Sony
berührst, wenn du auf dem Trip bist.«
»LSD?«
»Ecstasy.«
»Und was für eine Musik spielen sie in dem House?«
»House ist die Musik. Open House. Rave. Beats pro Minute. Halstuch. Smiley-T-Shirt.«
»Ich mag James Brown. Man kann gut drauf tanzen.«
»Oh, den kannst du kriegen, gesampled in geklauten Zehnsekundenhäppchen, aber nicht den kompletten Godfather of Soul.«
»Kommt am Ende denn ein langsames Stück? Ich möchte eng tanzen mit dir.«
»Du kapierst das nicht, was?«
»Nein. Ich fühle mich sehr alt.«
Pal wischte noch einmal über die Scheibe und schaute hinaus. Ich hätte gesagt, er war ungefähr vierzig; manchmal sah er aus wie zweiundvierzig, manchmal wie achtunddreißig. Er war fit — keine Ringe in der Leibesmitte und keine schlaffen Stellen hinten. Sein Haar war schütter, aber das hieß nichts; es war nirgends grau. In seinem seidig dunklen Schnurrbart war auch kein Grau-Sein Gesicht war braun und glatt, aber an seinen Augenwinkeln waren Krähenfüße — von der Schramme mal abgesehen — , und er hatte langgezogene Lachfalten im Gesicht. Und seine Zähne waren alle echt.
»Hast du schon mal jemanden getötet, Pal?« fragte ich aus heiterem Himmel.
»Jemanden?«
»Irgendjemanden.«
»Ich wäre nicht hier, wenn ich es nicht getan hätte«, sagte er und sah mich an, und wieder begann ein kleines Lächeln seine Mundwinkel zu kräuseln. In diesem Augenblick haßte ich ihn nicht. Ich konnte es nicht, ebensowenig wie man den Tiger mehr als das Lamm hassen konnte. Angst — und Verlangen — waren meine Empfindungen, aber nicht Haß und nicht Liebe.
Das Taxi bog in die tiefe Sackgasse ein, die dem Savoy Schutz vor der Hauptstraße und den neugierigen Blicken des gemeinen Volkes bietet, das sich zwanzig Meter weit entfernt vorüberkämpft. Pal bezahlte, und dann legte er mir eine Hand in den Rücken und steuerte mich auf die Bar zu. Das Latino/Nippon-Kontingent saß bereits an einem Tisch und tat sich an den Gratisknabbereien gütlich, aber Shinichro war nirgends zu sehen. Pal bestellte mir noch einen Martini und für sich ein Bier, und wir ließen uns in tiefe, pinkfarbene Sessel sinken und warteten. Mein Mann kam zehn Minuten später.
Wenn Shinichro uns gesehen hatte, ließ er sich davon nichts anmerken. Er stand oben an der kleinen Treppe, elegant in einem marineblauen Anzug mit nüchterner Krawatte, und hatte einen kantigen schwarzen Aktenkoffer in der Hand. Er schaute sich ein paar Sekunden m der Bar um und ging dann zielstrebig auf das Kleeblatt zu, das am anderen Ende saß. Er verneigte sich, nicht übermäßig tief, und einer der Japaner deutete mit ausgestreckter Hand auf einen Sessel.
»Was ist mit seinem Gesicht passiert?« fragte Pal.
»Ein Unfall mit einem Glas«, sagte ich. In diesem Augenblick war es mir völlig egal, was Pal sah oder wie er es interpretierte. Ich war voller Ehrfurcht vor Shinichro, der es auf sich genommen hatte, die Abmachung seines Orc-Mannes zu erfüllen und diesen Leuten ihre Ware zu liefern. Ich war stolz auf ihn, und ich wollte, daß er es richtig machte, ohne einen Fehler zu begehen, und dann zusah, daß er von hier verschwand. Meine Augen füllten sich mit unerwünschten Tränen, während ich ihn betrachtete, und als ich mich meinem Drink zuwandte, sah ich, daß Pal mich beobachtete, nicht sie. Ich wischte mir mit der Serviette die Hände ab und trank einen Schluck.
»Willst du ein Foto?« fragte er.
»Was?«
»Für die Story. Willst du ein Foto? Wir haben gerade noch genug Licht.«
Pal hatte eine kleine, metallisch graue Kamera in der Hand, knapp acht Zentimeter lang und drei breit. Er fotografierte so schnell, daß man denken konnte, er habe sich eine Brille abgenommen und stecke sie in ein Etui.
»Du bist voll von solchem Firlefanz, nicht?«
»Wiegt keine hundert Gramm. Gut für kleine Schnappschüsse, wenn man auf Reisen ist.«
»Es ist eine Minox, das weiß ich schon. Was bist du jetzt — ein Spion, verdammt?«
»Kein Mensch braucht heutzutage noch Spione. Der Markt für Geheimnisse ist völlig offen. Guck, dein Freund geht.«
Shinichro ging mit leeren Händen die Treppe hinauf, und der flachgesichtige Kolumbianer nahm den Aktenkoffer vom Tisch und ließ dabei eine Menge goldene Armbänder sehen.
»Du bist sehr cool, weißt du das?« sagte Pal.
»Es ist nicht meine erste große Story.«
»Gefällt es dir, wie die Typen aussehen?«
»Die da drüben?«
»Ja.«
»Eigentlich nicht. Ich bevorzuge den empfindsameren
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