Sieh mich an, Al Sony
lag auf seinem Gesicht, eines, das die Schwellung auf seiner Wange nach oben drückte und zu dem harten Ausdruck in seinen Augen paßte.
»Brich einem Mann die Beine. Brich ihm die Finger. Kleb ihm den Mund mit Klebstreifen zu... die alten Methoden; du kannst sagen, was du willst, aber sie funktionieren.« Er ließ sich auf dem Bett zurücksinken und stützte sich auf beide Ellbogen; er hielt Shinichros Karte und die brennende Zigarette in einer Hand.
»Shinichro kommt her?«
»Um Geschäfte zu machen; das ist alles.«
»Du wirst ihm nichts tun?«
»Ich?«
»Oder sonst jemand.«
»Liegt dir was dran?«
»Natürlich.«
»Was ist mit mir?«
Ich gab keine Antwort. Er wiederholte die Frage.
»Was ist mit mir?«
»Ich glaube nicht, daß dir heute abend jemand etwas antun wird. Ich glaube nicht, daß dir überhaupt jemals jemand etwas antun wird.«
Pal tippte sich an die Wange, klopfte sich mit der Hand aufs Herz und lachte. »Ich glaube, du könntest mir etwas antun.«
Pal ging eine halbe Stunde vor mir hinunter und rief dann im Zimmer an. Es saßen ein paar Leute an der Bar, einige Männer, die Cocktails tranken, ein Paar im mittleren Alter am hinteren Ende, und gleich neben Pal ein rundlicher Mann, der die Füße unten auf die Sprosse des Barhockers gestellt hatte; vor ihm stand ein Schälchen gesalzene Erdnüsse. Pal erhob sich, küßte mich auf die Wange und hielt mir den Hocker fest, als ich mich setzte. Als der Barmann herüberkam, bestellte ich einen Martini. Pal bot mir eine Zigarette an, und ich lehnte ab. Wir redeten nicht viel; ich drehte nervös das Cocktailspießchen in meinem eiskalten Glas, als Pal mir plötzlich die Hand aufs Bein legte. Ich saß halb mit dem Rücken zur Theke und schaute durch die Bar, und ich sah vier Männer hereinkommen. Die beiden sonnengebräunten Südländer waren größer als die Japaner, clie schmächtiger, aber nicht minder geschäftsmäßig aussahen. Pal drehte mein Bein nach innen, bis ich wie er mit dem Gesicht zum Tresen saß und das Geschehen im Spiegel verfolgte. Hände wurden nicht geschüttelt. Die beiden Japaner verbeugten sich und deuteten auf die Stühle; die beiden anderen setzten sich, öffneten den Knopf an ihren leichten Sakkos, und der eine tastete unter dem Jackett nach irgend etwas und überzeugte sich, daß alles an seinem Platz war. Die beiden Japaner nahmen gegenüber Platz und zogen ebenfalls ihre Jacketts zurecht; auch hier schob einer die Hand hinein, so daß man unter der goldenen Rolex an seinem Handgelenk die tätowierten Schnörkel sehen konnte. Sie redeten mit dem Kellner, als Pal mich ansah und sagte: »Hübsch brav sein jetzt.«
»Okay. Ich kann mir denken, wer die Japaner sind. Aber wer sind die beiden anderen?«
»Shinichros Kunden.«
»Wer sind sie?«
»Wie sehen sie denn deiner Meinung nach aus?«
»Wie Spanier?«
»Kolumbianer.«
Ich steckte mir das Spießchen in den Mund und biß darauf.
»Weißt du jetzt, womit du es zu tun hast?« fragte er.
Jeder Junkie wird Ihnen sagen, daß das Schöne an einem guten Hit darin besteht, daß die Spannung reißt. Es gibt einen großen euphorischen Knall, der den Verstand hüpfen und das Herz flattern läßt, bis man rasenden Jubel hört und der Himmel schwarz wird von Luftschlangen, die aus offenen Fenstern herabwehen. Pal fragte mich, ob ich wüßte, womit ich es zu tun hatte. Woran er dabei dachte, waren Gangster von Weltklasse, Drogenbarone und Gefahr. Woran ich dabei dachte, war eine Titelstory von Weltklasse. Delia würde das verstehen. Wochenlang tapert man mit hundert gerade mal brauchbaren Slogans herum, und plötzlich kommt man raus mit: »It’s the real thing.« Das war’s. Was war Mutterschaft im Vergleich damit?
Nichts. Glauben Sie mir, ich wußte, was sie meinte. Ich hatte gedacht, ich hätte es mir abgewöhnt, nachdem ich so viele Monate lang gedacht hatte, es sei nicht wichtig und ich sei cool — tu, was du willst, mach ein paar Tage Ferien, nimm dir einen Lover, lebe richtig. Aber ich hatte nichts weiter getan, als dieses große Gummiband in mir bis zum Reißen zu spannen. Ich lechzte nach Entspannung, und hier war sie, und hier saß ich und kaute auf einem Cocktailspieß und hoffte, daß das Summen in meinem Kopf nachlassen würde, damit ich sprechen und etwas Zusammenhängendes sagen könnte. Eine Bewegung am Tisch des Kleeblatts nahm mir diese Sorge. Einer der Japaner sprach in ein Mobiltelefon. Dann sagte er etwas zu seinem Partner, und der sagte
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