Sieh mich an, Al Sony
Charlies Million, Sanos Million — seiner Million.
»Ich rufe in seinem Büro an«, sagte ich.
»Du Biest. Ihr habt das geplant, nicht wahr? Na, ihr werdet nicht gewinnen. Charlie hat diese Chips gewonnen. Sie gehören uns.«
»Debbie, ich habe überhaupt nichts geplant. Keine Panik. Er wollte dich nur nicht dabeihaben. Jetzt mach keine Dummheiten.«
Aber ich redete mit mir selbst. Sie hatte aufgelegt. Mir blieb nichts anderes übrig, als in Shinichros Büro anzurufen, obwohl ich wußte, daß er nicht da sein würde. Kaum hatte ich nach dem fruchtlosen Telefonat den Hörer auf die Gabel gelegt, rief Debbie wieder an.
»Erinnerst du dich, wie dein Freund versucht hat, uns Angst einzujagen?«
»Er hat nur versucht, dich zur Vernunft zu bringen, Debbie.«
»Er hat versucht, uns angst zu machen. Indem er damit drohte, Pal zu verraten, daß ich die Chips habe.«
»Das hat er nicht ernst gemeint.«
»Schön, aber ich meine es ernst.«
»Mach das nicht, Debbie.«
»Nichts da. Ist schon passiert. Ich habe im Hotel angerufen. Pal weiß jetzt, wer sie hat. Er wird sie sich holen, und dann kriege ich sie wieder.«
»Wie denn?«
»Ich gehe zur Polizei. Ich sage, er hat sie geklaut. Ich habe immer noch die Liste mit jeder einzelnen Nummer. Ich kann beweisen, daß sie uns gehören.«
»Charlie«, korrigierte ich.
»Uns.«
»Sieh dich vor, Debbie«, sagte ich, und das war mein Ernst. Es gab sicher keinen Grund, weshalb ich jetzt noch in Gefahr sein sollte. Charlie war in Sicherheit, und ich ebenfalls — so sehr, wie man es nur sein konnte, wenn man soeben seine Karten hingeworfen hatte. Was Shinichro und Debbie anging, so hatten sie soeben ihren Einsatz erhöht, und Zweifel und Enttäuschung legten sich über mein Herz, wie Schnee in ein sonniges Tal fällt.
Es war kurz vor fünf, als der Kurier kam, mit Sturzhelm und in dickfaltiger, krustiger Ledermontur, und mir ein Paket brachte. Richard bemerkte, ich solle mich nur wie zu Hause fühlen, während ich mit meiner Unterschrift quittierte und den Jiffy-Umschlag aufriß. Er enthielt zwei Beutel mit ungekennzeichneten Chips — viertausend kleine Vierecke geheimnisvoller miniaturisierter Schaltungen. Dabei lag ein Zettel von Shinichro, auf dem stand: »Behalte sie.« Ich hatte meine Anweisung, und sie klang einfach genug. Ich trat mit den wundersamen Chips in meiner Segeltuchtasche auf die Old Compton Street hinaus und kaufte mir den Evening Standard, um ihn auf dem Heimweg und im Wartezimmer meines Arztes zu lesen. Ich hatte beschlossen, zum Arzt zu gehen, zu hören, was er sagte, und mich sicherheitshalber einmal gründlich untersuchen zu lassen; wer mich beobachtete, würde denken, daß ich es nicht eilig hatte, irgendwohin zu kommen. Ich blieb an der Ecke stehen und blätterte die Zeitung bis hinten durch, durch den dicken Immobilienteil bis zu den Wirtschaftsseiten, wo die Zinsnotierungen bei 9,5 Prozent standen und weiter stiegen.
Richards Schulden nahmen jetzt zu, und ich bezog ein kleines Extraeinkommen aus dem Bargeld, das ich auf dem Konto hatte. Ich beschloß, von jetzt an sämtliche finanziellen Entscheidungen auf der Grundlage von Bibelworten zu treffen. Zwei kurze Meldungen über die andauernde Chipkrise fielen mir ins Auge. Zwei US-Firmen hatten einen Streit: Die eine, deren Aktien durch die verzögerte Auslieferung eines neuen Produkts einen Kurssturz von insgesamt drei Millionen Dollar erlitten hatten, bezichtigte die andere, sie nutze ihre Monopolstellung auf dem Dram-Markt aus, um die Preise künstlich in die Höhe zu treiben. Es waren zwei durch und durch amerikanische Unternehmen, aber sie standen nicht auf derselben Seite. Keineswegs. Die Lektion, die hier zu lernen war, lautete: Kaufe und verkaufe auf dem Weltmarkt, und bete zum Himmel, daß du niemals den kürzeren ziehst. Es sah aus, als sei das US-japanische Handelsabkommen kurz davor, zu platzen. Ich lachte still vor mich hin. Debbie hatte nur noch ein kleines bißchen Zeit, um einen Profit aus ihrer Investition zu schlagen, falls sie ihren Einsatz überhaupt noch herausbekam. Als Aufmacher auf der Titelseite diente das Neuste aus der endlosen Saga um Peter Wrights MI6-Reminiszenzen in seinem Buch Spycatcher. Der Mann hatte zu seiner Zeit einiges erlebt, das stand fest, wie er sich so auf staatliches Geheiß mit Nachschlüsseln und Wanzen quer durch London geschlagen hatte, und jetzt wollten sie ihm nicht mal eine anständige Pension zahlen. Die Zeiten hatten sich geändert, und
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