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Sieh mich an, Al Sony

Sieh mich an, Al Sony

Titel: Sieh mich an, Al Sony Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denise Danks
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Kann ich heute ein bißchen hier arbeiten?«
    Richard bot mir seinen Platz an und ging hinüber zur City-Redaktion. Eigentlich hatte ich gar nichts zu tun. Ich hatte kein Verlangen danach, einen Artikel zu schreiben, bestimmt nicht für Max und sein Blättchen, nicht mal für meinen Kumpel Richard. Ich mußte nur ein Weilchen abwarten, ein bißchen Zeit in relativer Sicherheit verplempern, bevor ich Shinichro anrufen konnte; ohnedies wollte ich jetzt nirgends hin, und ich war müde. Die letzten Tage und Wochen forderten allmählich ihren Tribut. Ich hätte nach Disneyland fahren sollen. Wenn ich statt nach Las Vegas nach Disneyland gefahren wäre, dann würde Charlie jetzt bis zu den Ohren in derselben Patsche sitzen, aber ich müßte nicht neben ihm her waten. Ich wäre vielleicht Hiroshi Sano begegnet, aber nicht Pal Kuthy. Und ich hätte keinen von beiden kennenlernen müssen, wenn ich nach Disneyland gefahren wäre, wie ich es gewollt hatte. Ich wäre noch schwanger. Ich könnte das Baby noch bekommen. Zumindest könnte ich noch selbst die Entscheidung treffen. Jetzt würde ich es nie wissen. Ich würde immer wieder darüber nachdenken, und ich würde nie in der Lage sein, es so weit herunterzutrinken, daß ich mich selbst ohrfeigen und behaupten könnte, ich hätte die Entscheidung selbst getroffen. Ich hatte meine Entscheidungen immer selbst getroffen, gute oder schlechte. Meistens waren es schlechte Entscheidungen gewesen, aber, zum Teufel, es waren meine gewesen. Ich hatte mit mir selbst darum gekämpft. Ich hatte meinen Mann hinausgeworfen, oder? Das war eine großartige und rechtschaffene Entscheidung gewesen. Und Warren? Genauso rechtschaffen. Alle beide — Gauner waren sie gewesen, gewaltige, große Gauner mit ihren falschen Küssen. Ich hatte sie beide in die Wüste geschickt. Aber mein Baby nicht. Mein Baby hätte ich bekommen. Ich hätte es bekommen, wenn ich nicht nach Las Vegas gefahren wäre, und jetzt wollte ich sterben, weil ich es verloren hatte. Mein Geist war an jenem dunklen Ort irgendwo zwischen Hölle und Erde.
    Moment mal. Charlie schuldete mir fünfzigtausend Pfund. Er hätte mir den verdammten Schlüssel so oder so gegeben. Ich hatte von Anfang an mit dringesteckt. Ich hatte nie eine Wahl gehabt. Von dem Augenblick an, wo der Kartengeber in dieser Wüstenstadt die Karten verteilt hatte, hatte ich keine Wahl mehr gehabt. Ich starrte den Bildschirm an, das geduldige weiße Prompt und den kleinen Cursor, der erwartungsvoll bebte. Eine ganze Weile tat ich gar nichts, und dann drückte ich auf einen Knopf, um das Ding abzuschalten.
    »Fertig?« fragte Richard und tippte auf den Fernseher über dem Bildschirm; er hatte einen Stoß Pressemitteilungen in der Hand.
    »Ja«, sagte ich.
    Ich warf mir die Segeltuchtasche über die Schulter und wartete. Er klopfte seine Tasche ab, zog einen Schlüssel zu seinem Haus hervor und reichte ihn mir mit einer Warnung.
    »Schließ alles ab, und sei vorsichtig«, sagte er. Beim Hinausgehen drehte ich mich noch einmal um und sah, wie er mit der Hand die schüttere Stelle an seinem Scheitel betastete, und ich tröstete mich damit, daß ich die leichte Gewichtszunahme auf seinen Hüften nicht erwähnt hatte. Ich versuchte, mir ein Kompliment einfallen zu lassen, das ich ihm eines Tages machen könnte, und ging eben durch die Schwingtür hinaus, als jemand meinen Namen rief. Telefon für mich. Ich schaute zu Max hinüber, der mich unter seiner Zigarrenrauchfahne beobachtete wie ein roter Kater, der durch ein abendliches Gartenfeuer blinzelt. Es war genau wie früher. Ich nahm das Gespräch an Richards Schreibtisch entgegen. Ihre schrille Stimme klang ganz zerfranst. Sie war nicht glücklich.
    »Er ist verschwunden«, sagte sie.
    »Na, du solltest doch mitgehen, oder?«
    »Er sagte, er will nach Harrow.«
    »Das stimmt auch.«
    »Und wieso nimmt er dann nicht die Bakerloo Line? Am Piccadilly hat er mich abgehängt.«
    »Wo bist du jetzt?«
    »In Harrow.«
    »Wo da?«
    »Bei NC, in der Zentrale.«
    »Und er ist nicht da?«
    »Nein.«
    Oh, dachte ich. Ich hätte auch gewartet.
    »Ich dachte, er steigt vor mir in den Zug«, sagte sie.
    »Sein Büro ist aber nicht in Harrow. Es ist im West End.«
    »Wieso sagt er dann, er fährt hierher?«
    »Hör mal, er wollte einfach nicht, daß du mitkommst. Er wollte dich nicht in seinem Büro haben.«
    »Quark.«
    Allerdings. Debbie dachte, was ich auch dachte: daß Shinichro mit ihrer Million abgehauen war. Mit ihrer Million,

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