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Sieh mir beim Sterben zu (German Edition)

Sieh mir beim Sterben zu (German Edition)

Titel: Sieh mir beim Sterben zu (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. J. Tracy
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Zaubertrank, und als er fertig war und am liebsten im Boden versunken wäre, tat sie etwas sehr Männliches. Sie ließ die ganzen intimen Gefühle, die er ihr mitgeteilt hatte, einfach links liegen und wechselte das Thema, als wäre nichts geschehen.
    «Was ich eigentlich befürchte, Detective, ist Folgendes.»
***
    Bis auf ein paar Pfützen Halogenlicht auf der Werkbank war es dunkel im Zimmer. Zwei Paar behandschuhte Hände warfen gespenstisch-hypnotische Schatten an die Wände, während sie sorgfältig eine zähe Flüssigkeit in die Behälter füllten und diese dann in der Mitte der Werkbank aufreihten, sodass sie einander nicht berührten und auch nicht zu nah am Rand standen. Eine einfache Aufgabe, und doch kostete sie allein dieser erste Teil mehr als eine Stunde.
    Die vielen Übungsläufe waren zwar hilfreich gewesen, erwiesen sich aber letzten Endes doch als sinnlos. Diesmal war es ernst. Nerven lagen blank, Hände zitterten und Herzen klopften schneller.
    Als der letzte Behälter schließlich verschlossen war, traten beide ein paar Schritte von der Werkbank zurück und atmeten einfach nur tief durch, um sich wieder zu beruhigen, bevor sie den zweiten Teil in Angriff nahmen.
    Die Kartons waren schon vorbereitet: Sie standen wartend auf dem Boden, die Deckel weit aufgesperrt wie die Schnäbel hungriger Jungvögel. Die inneren Schutzhüllen waren sorgfältig und sicher darin befestigt.
    Es war eine langsame, konzentrierte und nervenaufreibende Arbeit, die Behälter in den Schutzhüllen zu platzieren. Ein DNA-geschwängerter Schweißtropfen landete auf einem der Kartons und breitete sich umgehend dort aus. Weil er einen verräterischen Fleck hinterlassen würde, wurde der betroffene Karton auf der Stelle entsorgt und durch einen anderen ersetzt. Sie hatten an alles gedacht, und wie die meisten genialen Ideen war es geradezu lächerlich einfach gewesen. Alles, was man wissen musste, stand frei zugänglich im Internet.
    Sie hatten sich oft gefragt, warum vor ihnen noch keiner so etwas gemacht hatte, waren sich aber sicher, dass es schon bald sehr viele tun würden. Jetzt würde es ja nicht mehr lange dauern, bis ihnen die ganze Welt zusah.

Kapitel 13
    Richter James Bukowski hatte seine Entlassung aus dem Hennepin-County-Hilton damit gefeiert, seinen Alkoholpegel mit einer exquisiten Flasche Bourbon Sour Mash aufzufüllen. Sie hatte das Zittern beseitigt und seine Laune beträchtlich verbessert – zumindest bis zu dem Moment, als sein Erinnerungsvermögen aussetzte, was irgendwann gegen Mittag gewesen sein musste.
    Als er Stunden später im klammen Schoß seiner Corbusierliege wieder erwachte, überraschte ihn sein belegtes Hirn mit einem ebenso eigenartigen wie aufschlussreichen Gedanken, der ihm umso tiefgründiger erschien, als er sich nicht mit den logistischen Planungen einer Expedition ins Bad zwecks Auffinden von Aspirin und Ativan befasste: Er hasste diese gottverdammte, beschissene, unbequeme und völlig überteuerte Liege. Er hasste sie von ganzem Herzen.
    Nach Jahren der passiv-aggressiven Quälerei und des hinterhältigen Einimpfens von Schuldgefühlen hatte Ehefrau Nummer vier ihn schließlich überzeugt, dass Originalmöbel aus der Klassischen Moderne nicht nur todschick und eine kluge Geldanlage, sondern auch «geradezu unverschämt behaglich» seien – ein Ausdruck, den sie wohl aus einem der Artikel haben musste, die sie immer las, denn die Frau glänzte sonst nicht gerade durch rhetorischen Einfallsreichtum.
    Nun, die Superschnepfe vom Dienst hatte sich gewaltig getäuscht, zweifellos unter dem Einfluss der Zeitschrift Architectural Digest , ihres stockschwulen Innenarchitekten und ihrer jämmerlichen, neureichen Freundinnen, die sie alle miteinander einer ebensolchen Gehirnwäsche unterzogen haben mussten wie sie anschließend ihn. Mit dem kleinen Unterschied, dass sie, sonst der hellste aller Sterne am Volltrottelhimmel, das anscheinend sehr viel schneller begriffen hatte als er: Die Liege war nämlich der einzig halbwegs wertvolle Gegenstand, der ihm nach der Scheidung noch geblieben war. Und wäre er während der fünf Ehejahre auch nur einen Tag nüchtern gewesen, wäre ihm das mit Sicherheit auch aufgefallen, wie so manches, was er durch die schwarzen Löcher seiner abgestorbenen Gehirnzellen übersehen hatte.
    Wie zum Teufel bin ich denn jetzt darauf gekommen?, fragte sich der Richter, doch dann lächelte er das erste echte Lächeln seit langer Zeit. Sein ganzes Leben lang hatten solche

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