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Sieh mir beim Sterben zu (German Edition)

Sieh mir beim Sterben zu (German Edition)

Titel: Sieh mir beim Sterben zu (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. J. Tracy
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Flughafen gerufen wurde. Es passierte viel zu oft, und langsam fing es an, ihn zu langweilen. Ein schlechtes Zeichen. Bei einem solchen Einsatz musste man ruhig, gründlich und überlegt vorgehen, aber es konnte gar nicht schaden, wenn einem dazu noch der Arsch ein bisschen auf Grundeis ging. Genau das kam ihm zunehmend abhanden. Es war wohl an der Zeit, die Leitung an einen jüngeren Kollegen abzugeben, der noch nicht so abgestumpft war und noch daran glaubte, dass diese Neiman-Marcus-Einkaufstüte tatsächlich eine Bombe enthielt und nicht nur das Geburtstagsgeschenk für irgendein Enkelkind.
    Das Sprengkommando der Polizeidienststelle Bloomington war immer schon für den Flughafen zuständig gewesen, es galt als das beste im ganzen Bundesstaat. Die beste Ausrüstung, die besten Männer – und auf jeden Fall die mit der meisten Erfahrung, da Flughäfen besonders gefährdete Ziele waren, zumindest nach Ansicht der hohen Tiere im Heimatschutzministerium. Barney hatte das noch nie verstanden. Was war an einer Bombe am Flughafen denn schlimmer als an einer Bombe in einem belebten Einkaufszentrum? Schon seltsam, wie sich die Angst der Menschen durch so etwas Absurdes wie einen bestimmten Ort verstärken oder verringern konnte. Tot war man schließlich so oder so, da spielte es keine Rolle, wo es passierte; und trotzdem bekam alle Welt schier einen Herzinfarkt, sobald ein verdächtiges Päckchen in der Nähe eines Flugzeugs auftauchte.
    Seine Kollegen konnten die Sprenganzüge nicht leiden, sie mochten es nicht, dass man unter den Schutzhelmen den eigenen Atem hörte und das ständige Pulsieren des eigenen Blutes in den Ohren rauschte. Barney hingegen genoss das. Zu Hause hatte er sechs Kinder und eine Frau, deren helle Stimme ihm die Ohren klingen ließ wie chinesische Musik. Er liebte sie alle mehr als sein Leben – aber wie sanft und entspannend kam ihm im Vergleich dazu das Geräusch des eigenen Atems vor, das er nur im Schutzanzug hörte.
    Er sah zu seinem Partner hinüber, der breitbeinig und unsicher über das letzte Stück Straße zwischen dem Parkplatz und der Tür zur Gepäckausgabe wackelte. Trotz allem Training war der Junge es immer noch nicht gewohnt, in dem schweren Anzug längere Strecken zurückzulegen. Es war aber auch etwas ganz anderes, wenn man dabei außer Atem war, weil einem das Adrenalin durch den Körper pumpte. Und zu allem Überfluss waren es draußen wieder fast dreißig Grad.
    Aubrey gehörte zu den Kandidaten, die Barney für seine Nachfolge als Leiter des Sprengkommandos im Auge hatte. Er war alt genug, um schon einige Erfahrung gesammelt zu haben, jung genug, um über die nötige Kraft und den nötigen Mut zu verfügen, und noch nicht so lange im Dienst, dass er keine Angst mehr gehabt hätte. Perfekt. Und bei Gott, der Junge konnte den Job auch brauchen. Was für Sadisten mussten Eltern eigentlich sein, ihren Sohn ausgerechnet «Aubrey» zu nennen? Um gegen den Namen anzugehen, war man ja fast verpflichtet, sich freiwillig zum Sprengkommando zu melden.
    Sie hatten die Gepäckausgabe bereits von der Stromversorgung getrennt, und im unteren Teil des Terminals war es dunkel und dämmrig; nur durch die vorderen Fenster fiel etwas Licht herein. Die Gepäckbänder standen alle still, die Koffer stauten sich ohne Ziel auf den metallenen Schuppen. Barney sah Rucksäcke neben Kleidersäcken, Louis-Vuitton-Koffer, die sich an billige schwarze, mit rosa Klebeband gekennzeichnete Nylontaschen drängten, und erkannte darin ein Symbol für die verschiedenen Gesellschaftsschichten, die Schulter an Schulter im Flugzeug saßen und dieselben Wege gingen, um schließlich, wenn sie Glück hatten, ein sicheres Zuhause im Mittleren Westen zu erreichen.
    Das war für Barney mit das Schrecklichste an seinem Job: Flughäfen hatten einfach nicht so still und menschenleer zu sein. Er war es gewöhnt, dass Passagiere die Gepäckbänder umringten, dass man die nervigen Durchsagen hörte, die das Lautsprechersystem praktisch ununterbrochen ausspuckte, und dabei umherrennenden Kindern und Rollkoffern ausweichen musste, die auf den ersten Blick sehr viel gefährlicher wirkten als ein unscheinbarer Karton, der irgendwo unbeobachtet herumstand. Das Schönste an seiner Arbeit war, dafür zu sorgen, dass all dies wieder möglich wurde.
    Der Karton stand an der Wand gleich hinter dem Gepäckband mit der Nummer drei. Ein fester Pappkarton, verschlossen mit marktüblichem Paketband und genauso groß wie die Kisten, in denen

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