Siesta italiana: Meine neue italienische Familie
letzten Abendmahl und eine sechzig Zentimeter hohe Porzellanfigur der Madonna.
Das Strandhaus besaß keine Heizung, aber ein Kamin beheizte zumindest das Wohnzimmer. Lage und Panorama waren uns wichtiger als Komfort, und die bis zum Boden reichenden Fenster, vor denen sich ein Balkon befand, bescherten uns eine fantastische Aussicht für ein Almosen. Links funkelte Castro, dessen Burgruine nachts angestrahlt wurde. Fischdampfer fuhren bei jedem Wetter hinaus. Zur Rechten lagen die vom Torre del Sasso gekrönten Olivenhaine, und auf der anderen Seite des mit weißen Häubchen übersäten Mittelmeers sah man ohne den sommerlichen Dunst in der Ferne die schneebedeckten albanischen Berge.
Wir frühstückten und beobachteten rote Tanker, die aus Afrika und Griechenland kamen und italienische Häfen wie Venedig und Triest ansteuerten. Daniela kaufte mir ein Fernglas, damit ich die Namen der tagsüber vorbeifahrenden Schiffe lesen konnte, und ich schenkte ihr ein Teleskop, um damit nachts Sterne zu beobachten. Im Winter brannten nur wenige Lichter unten am Hafen, sodass man den Himmel ideal beobachten konnte. Das war eine willkommene Abwechslung nach der Wohnung in Mailand, mit ihrer klaustrophobischen Aussicht auf Karrieresüchtige in ihren Bädern.
Die Adresse weiß ich bis heute nicht. Der Straßenname war auf das Steinmosaik gepinselt worden, aus dem unsere Fassade bestand, aber einige Buchstaben waren verblasst, und die Worte waren unlesbar. Das Haus besaß keine Hausnummer, was aber weiter keine Rolle spielte, da der Postbote so ein abgelegenes Gebäude sowieso nicht belieferte. Unsere gesamte Post ging zu Valeria, die das Fehlen unserer Hausnummer locker wieder wettmachte, indem sie gleich drei besaß: Irgendjemand vom municipio war durch den Ort gegangen und hatte jede Tür mit einer Hausnummer versehen. Sogar ihre Garage besaß eine eigene Adresse.
Es gab kein Trinkwasser und keinen Anschluss an die Kanalisation, aber einen Wassertank und einen pozzo nero, eine Sickergrube, unter dem Haus. Beides war dankenswerterweise durch eine dicke Zementmauer voneinander getrennt. Ein Laster kam, um uns Wasser zu bringen, ein anderer, um das Abwasser wegzufahren. Die Laster sahen identisch aus, nur mit der Nase konnte man sie voneinander unterscheiden. Der Fahrer des Wasserlasters war der Vater eines früheren Schülers von Franco, also bekamen wir mit jeder Lieferung auch noch einen Sack Kartoffeln aus eigenem Anbau. An wirklich kalten Tagen erhitzte er die Leitung, durch die er das Wasser pumpte, damit es nicht zwischen seinem Laster und unserem Tank einfror.
Den Fahrer des Fäkalien-Fahrzeugs sah ich nie, weil er bei Sonnenaufgang kam, um den Nachbarn den Gestank zu ersparen. Eine Geste, die er bei uns nicht hätte aufrechterhalten müssen, da unsere einzigen Nachbarn ein Liebespaar waren, das zweimal die Woche die Wohnung über uns benutzte. Jeden Dienstag und Donnerstag tauchten nach Einbruch der Dunkelheit in einem zeitlichen Abstand von zehn Minuten ein dickbäuchiger Architekt und seine gut gebaute junge Geliebte auf. Sie parkten hinter dem Haus, um ihren Frevel und ihre Fahrzeuge den Blicken der Öffentlichkeit zu entziehen. Sie blieben je nachdem, wie es um das Durchhaltevermögen des Architekten bestellt war, rund eine Stunde, bevor sie wieder im Zehnminutenabstand zu ihren Autos zurückkehrten. Als der Frühling die Menschen wieder zum Hafen lockte, kündigte der Architekt Apartment und Affäre, bis es wieder Herbst wurde, der Hafen verlassen dalag und beides wieder aufgenommen wurde.
Bis auf unsere nächtlichen Nachbarn besaß das Haus mehr streunende Tiere als funktionierende Elektrogeräte. In erster Linie Katzen, die die Sommermieter gefüttert hatten und die jeden Tag an die Tür kamen und flehentlich miauten, bis ihre Mäuler gestopft wurden. Es gab auch einen Welpen, von dem nichts im Mietvertrag gestanden hatte. Er war hinter dem Haus ausgesetzt worden, und weil ich die Hündin unter einem Olivenbaum gefunden hatte, nannte ich sie Olive. Wie sich jemand von diesem Tier hatte trennen können, war mir ein Rätsel. Sie war fantastisch, eine cremefarbene Promenadenmischung mit grünen Augen und einem rosa Näschen, das auf der Suche nach Nahrung ganz schmutzig geworden war.
Obwohl wir damals bei Valeria bereits Freccia hatten, gab es in unserer Arche noch Platz für einen weiteren Hund. Also adoptierten wir Olive – oder umgekehrt – und gaben ihr zu fressen und Auslauf im Garten. Die Ironie, ein Haus
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