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Siesta italiana: Meine neue italienische Familie

Siesta italiana: Meine neue italienische Familie

Titel: Siesta italiana: Meine neue italienische Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Harrison
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dem ich unterrichten sollte. Italien hatte auf Claire abgefärbt, die es vorzog, die Dinge erst mal auszuprobieren, um zu sehen, ob sie funktionierten, anstatt sie bereits im Vorfeld zu planen. Wir trafen nicht einmal eine mündliche Vereinbarung – trotzdem wusste ich, dass ich den Job in der Tasche hatte. Wie sollte ich jemals wieder jene formellen Vorstellungsgespräche aus der mir vorher bekannten Welt überstehen?
     
    Je weiter der Winter voranschritt, desto öfter traf ich Claire als Freundin statt als Chefin. Nicht weil sie keine Arbeit für mich gehabt hätte, sondern weil ich zu beschäftigt war, um sie anzunehmen. Die Sportzeitschrift, für die ich gearbeitet hatte, bevor ich nach Italien zog, beauftragte mich mit verschiedenen Geschichten aus Europa. Und dank des Internets konnte ich sie von Andrano aus recherchieren und schreiben – dem globalen Fischerdorf. Vor einem Jahr waren wir widerwillig nach Mailand gezogen, damit ich Arbeit fand. Dabei hätte ich die ganze Zeit über genauso gut vom Salento aus arbeiten können.
    Als begeisterter Zeitungsleser hatte ich mir Sorgen gemacht, wie sich das Internet wohl auf die Printmedien auswirken würde. Gleichzeitig half das Internet den Printmedien und erlaubte es mir, Geschichten zu schreiben, die ich sonst nie hätte verfassen können. Durch die Vermittlung einer Londoner Medienagentur vereinbarte ich im Auftrag einer australischen Zeitschrift ein Interview mit dem schwedischen Motorradfahrer eines bevorstehenden Rennens in der Tschechischen Republik – und das alles von einem italienischen Dorf aus, in dem nicht mal Einheimische Arbeit finden. Ein anderes Mal schickte mir der Chefredakteur von Inside Sport eine Mail, in der er dringend um Fotos zu einem Artikel von mir bat. In weniger als einer Stunde recherchierte ich in einem Strandhaus im Absatz des italienischen Stiefels mit einer Decke über und einem Laptop auf meinen Knien einen Fotografen in London, der mir eine Bildauswahl zukommen ließ, die ich mit einem einzigen Tastendruck nach Sydney schickte.
    Das Internet ließ aber nur virtuelle Grenzen schrumpfen, die ich dann noch körperlich überwinden musste, um an meine Geschichte zu kommen. Aber genau das war ja das Schöne. Im Laufe des Winters reiste ich nach Schweden, Russland, in die Tschechische Republik und nach Österreich, um über Speedway, Akrobatik und die Olympischen Spiele zu berichten. Eines Morgens verließ ich wegen eines Auftrags Andrano und hielt an der »California«-Tankstelle. Dort erklärte ich einem Mann, der noch nie in seinem Leben eine E-Mail gesehen hatte, wie mir das Internet half, von einem Zuhause aus zu arbeiten, das nicht mal vom Postboten beliefert wurde. Ich war auf dem Weg nach Brindisi, um einen frühen Flug nach Rom zu erwischen, wo mich Sandro Donati, der Vorsitzende der Forschungsabteilung des Italienischen Olympischen Komitees, für ein Nachmittagsinterview erwartete. Signor Api hörte mir aufmerksam zu, während ich ihm erzählte, dass ich nach Rom fliegen, das Interview machen, zurück nach Andrano fliegen, die Geschichte schreiben und sie dann schneller nach Australien schicken würde, als er brauchte, um meinen Wagen zu betanken. »Das ist die Technik«, sagte Signor Api. »Die größte Zeitverschwendung der Menschheit.« Ich hätte mir denken können, dass er eine ganz eigene Sicht der Dinge haben würde.
    Es war noch zu früh am Tag, als dass sein selbst gemachter Fusel sein Urteilsvermögen hätte trüben können. Deshalb glaubte er, bei diesem Thema mitreden zu können.
    »Die Technik bringt uns den Fortschritt, Signor Api«, protestierte ich.
    »Quatsch«, sagte er. »Sie wirft uns zurück.«
    Und schon ging es los: »Ich kann verstehen, dass Sie das Internet gut finden, aber wenn ich sehe, wie hier Autos mit eingebauten Fernsehern ankommen, frage ich mich, wo das eines Tages noch mal enden wird.«
    Der Sprecher hatte sich entfernt, erhob seine Stimme und gestikulierte in Richtung Straße.
    »Der Mensch macht sich lächerlich, wenn er glaubt, dass ihm die Technik Glück bringt. Die Technik hat kein Gewissen. Sie verzerrt alle Maßstäbe. Ein Fernseher im Auto! Wozu denn das, verdammt? Alle wollen alles, und zwar sofort, dabei gibt es nur noch wenig, was man wirklich sofort haben müsste.«
    »Und was ist mit medizinischer Versorgung?«
    »Wer vorsichtig fährt, braucht keine medizinische Versorgung.«
    Signor Api schloss meinen Tankdeckel und winkte mir nach.
    Eine der wenigen technischen

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