Siesta italiana: Meine neue italienische Familie
Aborigine-Kunst, hatte ich angenommen, die vielen Bumerangs, die ich aus Australien hatte mitbringen sollen, seien Geschenke für Freunde und Verwandte. Damals wusste ich noch nicht, dass ich sie als Schmiergeld für gut vernetzte Bekannte, sozusagen als Türöffner, brauchen würde. Mit den Bumerangs, die bekanntermaßen so beschaffen waren, dass sie von ihrer Reise zurückkehrten, bedankte sich Daniela dafür, dass mich nicht dasselbe Schicksal ereilte. Doch auch so waren unsere Behördenbesuche noch Kräfte zehrend genug.
60 Kilometer von Andrano entfernt liegt die Barockstadt Lecce, die größte Stadt im Salento. Allein im Juli mussten wir fünfzehn Mal dorthin auf irgendwelche verqualmten Amtsstuben – eine höchst unwillkommene Unterbrechung unserer sommerlichen Routine. Wegen der brüllenden Temperaturen war die insgesamt 120 Kilometer lange Fahrt ohne Klimaanlage eine echte Tortur für Daniela und mich. Aber am meisten hatte Napoleon zu leiden.
Ich hatte nämlich keine Zeit verloren, Danielas Auto, ein Elba , nach dem Kaiser zu benennen, der auf die gleichnamige Insel verbannt worden war. Die Fließhecklimousine des Innocenti hatte bereits 200 000 Kilometer auf dem Buckel, und wenn man sich ihre Karosserie einmal genauer ansah, war sie bestimmt öfter in den Krieg gezogen als ihr Namensvetter. In der glühenden Julihitze knatterte sie genauso widerwillig nach Lecce hin und zurück wie wir.
Unsere Ausflüge nach Lecce begannen unweigerlich damit, dass wir an einem der letzten Häuser an der Ausfallstraße – der api -Tankstelle – hielten. Der Besitzer des schlichten Gebäudes, das kaum anders aussieht als die meisten Häuser Andranos, hatte das Nebengebäude in eine Tankstelle verwandelt und Wände und Zapfsäulen in dem grellen Kanarienvogelgelb des multinationalen Konzerns gestrichen, zu dem seine schäbige Filiale gehört. Die hintere Mauer der Tankstelle wurde von Blumenbeeten mit ebenfalls gelben Azaleen gesäumt. Diese zierten den florierenden Betrieb, den der alte Mann am Zapfhahn liebevoll »California« getauft hatte.
» Benvenuti in California! «, rief er jedes Mal, wenn wir kamen. » Pieno, Signori? «
»Nein, nur für zwanzig Euro, grazie «, pflegte Daniela daraufhin zu sagen, womit sie sein automatisches Angebot, vollzutanken, ablehnte. Seine Frage war rein rhetorisch – ein » si « hätte ihn völlig aus dem Konzept gebracht. Benzina kostet in diesem Teil der Welt nämlich stolze 1 Euro 30 pro Liter, und wenn wir vollgetankt hätten, hätten wir Napoleons Wert dadurch glatt verdoppelt. Einen Großteil dieses exorbitanten Preises machen Steuern aus. Manche sind durchaus berechtigt, während andere – wie die Benzinsteuer, die Mussolinis Abessinienkrieg mitfinanzierte und die angeblich nie mehr abgeschafft wurde – deutlich schwerer zu rechtfertigen sind. Benzina ist eine enorme finanzielle Bürde für die Italiener. Ich hörte sogar von einem bewaffneten Raubüberfall auf eine Tankstelle, bei dem der traumatisierte Gehilfe instinktiv zur Kasse ging, nur um vom Lauf eines Gewehrs zu den Zapfsäulen dirigiert zu werden.
Wir wussten nicht mal, ob Napoleon einen vollen Tank überhaupt verkraftet hätte, da Daniela stets nur so viel benzina tankte, dass es gerade für unsere Fahrt reichte. Und deshalb führte jede Fahrt nach Lecce über »California«. Sein exzentrischer Besitzer wurde schon bald mein erster Freund in Andrano. Ich nannte ihn »Signor Api« und erklärte ihm, dass man den Namen im echten Kalifornien auch als »Mr. Happy« übersetzen könne. Er war entzückt von diesem Spitznamen und begann ihn selbst zu benutzen. Ich fand ihn eigentlich ziemlich passend für den gutgelaunten älteren Herrn, denn wenn es jemanden gab, der einen trotz der unverschämten Benzinpreise glücklich zurückließ, dann Signor Api.
Signor Api war ein siebzigjähriger Herr mit einem weisen, faltigen Gesicht, dem eine Lesebrille schief auf der Nase saß, während er das Auto betankte. Die vielen Nullen – vor allem als es in Italien noch Lire gab – mussten seine Augen zwangsläufig schädigen. In Italien ist es Tradition, nicht selbst zu tanken. Sogar an Tankstellen, wo es einen Preisnachlass für Selbstbedienung gibt, warten die Italiener lieber und lassen sich bedienen. Komisch nur, dass sie Auto fahren, als ob sie nie Zeit zum Warten hätten. Während Signor Api uns betankte, erzählte er uns laut und fröhlich Witze, die wir uns wohl oder übel anhören mussten.
An jenem Morgen war
Weitere Kostenlose Bücher