Siesta italiana: Meine neue italienische Familie
Napoleon mit Bougainvillea-Blüten vom Strauch in Danielas Auffahrt bedeckt, woraufhin sofort der Provinzdichter im Tankwart geweckt wurde.
»Auf dem Auto: bald dahinwelkende Blüten. Darin: eine immerwährende Rose.«
Daniela war nicht ganz so entzückt von Signor Api wie ich. Nun musste sie seine Bemerkungen nicht nur erdulden, sondern auch noch übersetzen.
»Sie sind die schönste Frau von ganz Andrano«, verkündete er. »Ja, vielleicht sogar die Schönste in der ganzen Provinz.«
»Vielleicht?«, entgegnete Daniela mit gespielter Em pörung.
»Na ja, in der Provinz gibt es viele Frauen, aber keine kommt nach Andrano, ohne dass mir das auffällt.«
Obwohl Danielas Schönheit außer Frage stand, konnte tatsächlich keine Frau an der »California«-Tankstelle halten, ohne dass ihr seine dubiosen poetischen Ergüsse erspart geblieben wären.
Während er damit fortfuhr, hielt ein Laster mit Bari-Kennzeichen. Der Fahrer fragte, wie man nach Diso käme, ein Ort, der gerade mal zwei Kilometer weit weg lag.
»Fahr Richtung Rom!«, schrie Signor Api. »Nimm Kurs auf die malerischste Metropole der Welt, und du kannst Diso unmöglich verpassen, Kumpel.«
»Und wo geht’s nach Rom?«, fragte der Fahrer, dem sein enger Terminplan keine Zeit für Scherze ließ.
Signor Api ließ die Hacken knallen wie ein Soldat und zeigte auf die Straße, die aus der Stadt führte. Der Fahrer winkte ihm zu, merkte sich, dass man sich am besten von Andranesi fernhielt, und fuhr dann Richtung Hauptstadt. » Tante belle cose! «, rief ihm Signor Api hinterher, sein Abschiedsgruß, den er für alle Kunden bereithielt und der »Alles Gute!« bedeutet. Auch wir wurden damit bedacht, als wir mit Napoleon Kurs auf Lecce nahmen und unseren ersten Angriff auf die Einwanderungsbehörde starteten.
Das erste Stück Straße nach Lecce ist eine bessere Landstraße. Die an den Rändern schadhafte Asphaltdecke führt dazu, dass die meisten in der Mitte fahren und nur dann ausweichen, wenn ein Wagen entgegenkommt oder sie überholt werden. Auf dieser sogenannten provinciale gibt es ein Tempolimit von 70 km/h, aber wir fuhren 100 und wurden oft überholt – einmal sogar von einem Mann, der sich dabei rasierte. Natursteinmauern trennten die Straße von Olivenhainen, Weizenfeldern und verlassenen Ruinen, auf deren Dächern Unkraut wuchs.
Wo die provinciale durch die Orte Marittima, Diso, Ortelle und Poggiardo führt, gilt ein Tempolimit von 50 km/h, woraufhin die Autos 80 fahren.
Weiße Häuser säumen die Straße. Autos, die aus Seitenstraßen kommen, müssen sich mit ihren Kühlern weit vorwagen, um den heranschießenden Verkehr überblicken zu können, den sie leider öfter zu spüren als zu sehen bekommen. Statt auf die Bremse zu steigen, gegen die die meisten Italiener allergisch zu sein scheinen, warnen sie die bereits auf der provinciale befindlichen Fahrer vor ihrem Herannahen, indem sie auf die Hupe drücken und aufblenden. Das Leben der Anwohner dürfte nicht sehr idyllisch sein.
An den meisten Kreuzungen stehen Stoppschilder. Manche sind dermaßen verblasst, dass nur noch ihre achteckige Form an ihre disziplinarische Funktion erinnert. Folglich sind sie eine Art Mistelzweig – eine Anordnung, die man je nach Wunsch befolgen, aber auch ignorieren kann. »Wer hat Vorfahrt?«, fragte ich Daniela, als sie Marittima verließ und ich mich an meinen Türgriff klammerte. »Der Mutigste«, sagte sie mit dem Fuß auf dem Gaspedal.
An einer Kreuzung in Poggiardo schlägt eine albanische Familie aus einer Ampel Profit, an der sie spontan einen Marktstand errichtet hat. Während die Autofahrer auf Grün warten, können sie falsche Perserteppiche, Lampen, Ventilatoren, Bohrer und anderen Krimskrams kaufen, während braun gebrannte Kinder in schmutzigen Kleidern zwischen den Fahrzeugen hin und her laufen und Papiertaschentücher und Feuerzeuge verkaufen. Wir haben ihnen ein paar Münzen gegeben, aber die Ware verweigert, in der Hoffnung, dass sie sie woanders loswerden.
Hat man Poggiardo erst einmal hinter sich gelassen, führt eine superstrada nach Lecce. Die offizielle Höchstgeschwindigkeit beträgt 90 km/h, aber die meisten fahren 130. Wir tun es ihnen gleich, denn es ist ungefährlicher, im Verkehr mitzuschwimmen, als ihn zu behindern. Die Straßen sind von Müll und kaputten Haushaltsgeräten gesäumt. Der Kadaver eines Schäferhunds liegt unter einer verbeulten Leitplanke. Ein Streuner, der laut Daniela tot besser dran sei als
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