Siesta italiana: Meine neue italienische Familie
Stefano beschlossen hatten zu heiraten und mit ihrem Hausbau begannen. Nach süditalienischer Tradition muss das neue Haus pünktlich zur Hochzeit fertig sein. Bezahlt wird das von den Eltern: Seine kommen für das Haus und ihre für die Möbel auf. Als ob es nicht schon anstrengend genug wäre, eine Hochzeit zu organisieren, gehört bei Italienern auch noch ein Hausbau dazu. Als ich einmal Davide, einen Freund aus dem Tennisclub, fragte, was seine Heiratspläne machten, sagte er: »Ganz gut. Morgen kommt die Küche, und nächste Woche wird der Kamin eingebaut.«
Davides Hochzeit lief genauso ab wie die von Federica. Auch er heiratete seine Jugendliebe aus demselben Ort. Auch er hatte sein Haus genau rechtzeitig fertig. Auch er lud seine Gäste eine Woche vor der Hochzeit ein, damit sie das Haus besichtigen und ihre Geschenke abliefern konnten, und zwar genau diejenigen, die auf der Hochzeitsliste gestanden hatten. Dabei dachte ich immer, so etwas sei taktlos. Auch Davide durfte miterleben, wie ein Priester roboterhaft eine Messe feierte, die die Gemeinde bis auf die Namen der Brautleute auswendig kannte. Und auch er lud Freunde und Familie zu einem Menü von acht Gängen ein, die zu essen man mindestens ebenso viele Stunden brauchte. Es ist ein Märchen, dass Italiener nach der Hochzeit zunehmen. Italiener nehmen auf ihrer Hochzeit zu.
Von »Da kommt die Braut« bis hin zu »Da kommt das Dessert« dauerte Federicas Hochzeit acht Stunden, und in sechs davon wurde gegessen. Wir applaudierten den Kellnern, als einer nach dem anderen aus der Küche kam, um dem Saal jedes Gericht zu präsentieren. Ständig kamen neue Gänge nach, obwohl die meisten Gäste das Essen schon vor Stunden eingestellt hatten. Laut Daniela sind italienische Hochzeiten eine Art kulinarischer Wettbewerb, ein verzweifelter Versuch, die Hochzeiten der Freunde zu übertrumpfen. Aber weil Süditaliener viel zu sehr damit beschäftigt sind, bella figura zu machen, vergessen sie ganz den Spaß bei der Sache. Es gab keine Reden, kein Gelächter, keine Schnappschüsse, keine Betrunkenen. Nur geschwollene Bäuche und angestrengtes Lächeln. Und obwohl es eine Tanzfläche gab, waren nach diesem Marathonmahl alle viel zu aufgebläht für einen Boogie. Vergessen Sie die Vorstellung von einer italienischen Hochzeit als fröhliche Gala übersprudelnder, mediterraner Lebensfreude. Und jetzt stand mir eine bevor, bei der die Gäste nicht den größten Teil des Abends auf die Uhr sehen sollten. Was mich und italienische Hochzeiten angeht, besteht »das größte Geschenk und der größte Segen, den mir Gott zuteilwerden lassen kann« darin, nicht eingeladen zu werden.
Der größte Unsinn sind jedoch die bomboniere – ein Geschenk an die Gäste, wahrscheinlich als Dank für ihr Durchhaltevermögen. Riesige Geldsummen werden für diese banalen Porzellan-Souvenirs ausgegeben, die beim Abschied verteilt werden und eine Hand voll zuckerüberzogener Mandeln namens confetti enthalten, die so heißen, weil die Gäste sie ursprünglich auf das Brautpaar warfen. Heute hat man festgestellt, dass die Verletzungsgefahr bei Reis deutlich geringer ist. In jedem italienischen Ort gibt es ein bomboniere -Geschäft, das mit Erinnerungsstücken an einen Tag, den man getrost vergessen kann, Bombengeschäfte macht. Bislang bekam ich eine Schildkröte, einen Engel, eine Schale, einen Fingerhut, jeweils aus Porzellan, versteht sich …
Auch mir ist klar, dass italienische Hochzeiten nicht dafür gemacht werden, einem Australier zu gefallen. Aber warum jammerte Daniela dann noch mehr als ich? Tatsächlich schienen die meisten Gäste auf Federicas Hochzeit gar nicht zu bemerken, wie absurd es war, sechs Stunden an einem Tisch zu sitzen, während die Kellner genauso viele Schmankerl zurück in die Küche schleppten, wie sie hinaustrugen. Der Applaus für das Essen ließ genauso schnell nach wie unser Appetit. Zwischen dem fünften und sechsten Gang erfand ich eine Ausrede, um dem Ganzen entfliehen zu können, und ließ Daniela mit ihrer Mutter allein zurück. Beide wären liebend gern ebenfalls gegangen, waren aber noch »im Dienst«, wie Daniela es ausdrückte.
Nachdem mein Platz frei geworden war, witterte Zia Francesca die perfekte Gelegenheit, Daniela noch einmal gut zuzureden. Die Nonne, die extra aus ihrem Kloster in Rom angereist war, hatte einen Brief vom Papst dabei, der Federicas Hochzeit und ihren zukünftigen Nachwuchs segnete. Die Tante versprach, dass Daniela und ich
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