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Siesta italiana: Meine neue italienische Familie

Siesta italiana: Meine neue italienische Familie

Titel: Siesta italiana: Meine neue italienische Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Harrison
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erreichten die superstrada und gaben Gas. Meine Papiere waren vollständig, und wir schwebten auf Wolke Nummer sieben. Aber zwei carabinieri , die neben ihrem Wagen am Straßenrand standen, sollten uns bald wieder auf den Boden der Tatsachen zurückbringen. Einer winkte mit einem überdimensionalen Lutscher, während sein Kollege eine Maschinenpistole in der Hand hielt. Macht und Ohnmacht, Seite an Seite – sie sahen wirklich aus wie zwei Witzfiguren, wie Dick und Doof als Gesetzeshüter. Der eine war tatsächlich dick, der andere dünn, und mit ihren Riesenlutschern, kniehohen Stiefeln, gestreiften Hosen und Mützen, die viel zu klein für ihren Kopf waren, wirkten sie eher lächerlich als Respekt einflößend. Als wir rechts ranfuhren, steckte der größere Beamte seinen Schlagstock zurück in den Stiefel. Seine kugelsichere Weste reichte bis zum Kinn, als er sich zu unserem Fenster herunterbeugte. » Documenti per favore .«
    Eine solche Fahrzeugkontrolle ist reichlich ungewöhnlich für einen Australier. Daniela griff in ihre Handtasche, und ich holte meine vorläufige Aufenthaltsgenehmigung hervor, auf der die Tinte noch kaum getrocknet war. Aber der carabiniere hatte bereits das Interesse an unseren Papieren verloren, denn er hatte etwas höchst Ungewöhnliches in unserem Auto entdeckt: Gelbe Post-it-Zettelchen klebten überall im Wageninnern. Darauf standen die Wörter für das, woran sie befestigt waren. Lenkrad, Hupe, Handschuhfach, Armaturenbrett, Schaltknüppel und Handbremse – alles war markiert. Das war Danielas Idee gewesen – eine neue Methode, Vokabeln zu lernen. Überall klebten gelbe Zettel, so als habe sich Napoleon beim Rasieren geschnitten.
    Der carabiniere rief seinen schwer bewaffneten Kollegen, und beide brachen in Gelächter aus.
    »Darf ich fragen, warum, signora ?«
    »Mein Freund lernt gerade Italienisch.«
    »Wo kommen Sie her?«
    »Aus Australien.«
    »Aus Australien? Was zum Teufel tun Sie dann hier?«
    »Ich werde ab September in Mailand arbeiten«, sagte ich in fließendem Italienisch. Übung macht den Meister.
    »Sie scheinen schon ziemlich gut Italienisch zu können.«
    Ich berührte Danielas Arm.
    »Ich habe eine gute Lehrerin.«
    »Welche Sprache sprechen Sie in Australien?«, fragte der eine mit der Maschinenpistole.
    Ich dachte, er mache Witze, und sah Daniela an. Doch ihre Miene sagte mir, dass er es ernst meinte.
    » Inglese «, entgegnete ich, starr vor Schreck.
    »Ich würde gern Englisch lernen. Mein Bruder spricht ein wenig Französisch.« Er sah Daniela an. »Sprechen Sie Englisch, signora ?«
    » Si .«
    »Sie Glückliche! Und wo haben Sie sich kennengelernt …?«
    Während jede Menge Autos vorbeirasten, die meisten deutlich zu schnell, hörte sich der Autobahnpolizist genüsslich unsere Liebesgeschichte an. Anschließend wünschte er uns viel Glück. Der Beamte mit der Maschinenpistole winkte sogar, als wir losfuhren. Ich weiß nicht, ob ihnen das überhaupt klar war, aber sie hatten ganz vergessen, unsere Papiere zu kontrollieren.
     
    Die ärztliche Untersuchung ist die letzte Hürde für alle, die in Italien bleiben wollen. Sie steht mit Absicht an letzter Stelle, da es sehr wahrscheinlich ist, dass man durch die Beantragung der Aufenthaltserlaubnis in den Wahnsinn getrieben wurde. Als Belohnung für die bestandene Untersuchung bekommt man ein libretto sanitario – einen Ausweis, der einem die staatliche Gratis-Gesundheitsversorgung garantiert.
    Als Daniela ihren Hausarzt anrief, der in erster Linie ein Freund der Familie und dann erst ihr Arzt war, bestand er darauf, dass wir sofort vorbeikämen. Er sagte, er freue sich schon sehr darauf, seinen ersten australischen Patienten kennenzulernen, schlug allerdings vor, Daniela solle ihr canguro sicherheitshalber auch bei einem Tierarzt anmelden. Als wir nach seinen offiziellen Behandlungszeiten zu Dr. Nino nach Hause fuhren, meinte Daniela, er sei ein guter Arzt, weil er sich von einem Besuch zum nächsten merken könne, was einem fehle. Ich konnte nur hoffen, dass sein Lebenslauf noch andere Pluspunkte aufwies.
    In der nahe gelegenen Stadt Soldignano glänzte Dr. Ninos frisch gestrichene Villa in der Nachmittagssonne. Wir durchquerten einen Garten mit Zitronenbäumen und gingen auf eine prächtige Eingangstür zu. Dort wurden wir von einem Mann mit Schnurrbart in einen Palast voller Antiquitäten, Ledersofas, Kunstwerken und kleinen Statuen eingelassen. Der Prunk im Haus stand in einem merkwürdigen Gegensatz zu

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