Siesta italiana: Meine neue italienische Familie
zeigte.
»Wenn man etwas erreicht hat, trinkt man in Italien gemeinsam einen Kaffee. Das ist bei uns so Tradition«, sagte er und kippte seinen Espresso in zwei Schlucken hinunter. »Auf diese Weise feiern wir unseren Sieg über den Staat.«
Er tauschte ein wissendes Lächeln mit Daniela.
»Ich kann Ihnen gar nicht genug danken für heute Morgen«, sagte sie.
»Aber ich bitte Sie!«, meinte er abwehrend und sah auf seine Uhr. »Und grüßen Sie Ihre Eltern von mir«, fügte er noch hinzu, bevor er uns auf die Wangen küsste und sein gefährliches Leben wiederaufnahm.
Als wir zum Wagen zurückkehrten, war sein Beschützer verschwunden, nur Napoleon war leider immer noch da. So wie er zwischen den beiden Mülltonnen parkte, sah er verdächtig wie eine dritte aus. Aber seine Kräfte reichten, um uns wieder nach Hause zu bringen. Schon bald tauchten wir in das smaragdgrüne Wasser am Strand von Andrano ein, wo die morgendliche Herausforderung inmitten von Fischerbooten, Eiscreme und Danielas rotem Bikini schnell wieder vergessen war.
Als Nächstes musste ich zum Ufficio Provinciale del Lavoro , um meine Tätigkeit registrieren und mir eine Steuerkarte geben zu lassen. Doch das war erst der Anfang. Es folgte eine zweiwöchige Odyssee von Behörde zu Behörde. Ich eilte zwischen den verschiedenen Ämtern für Arbeit, Unfall- und Rentenversicherung hin und her und erhielt eine Steuernummer, die mit ihren 16 Ziffern nur halb so lange war wie die Schlange, in der ich warten musste, um sie zu bekommen. Jedes Büro, das mit schlafmützigen, Zigaretten rauchenden Beamten besetzt war, besaß dieselben grauen Telefone wie die in der Questura , zahlreiche Gummistempel an Stempelkarussells, Akten, die sich bis an die Decke stapelten, Kruzifixe an Wänden, von denen der Putz blätterte, verblichene EU- und Italienflaggen und nur, wenn es gar nicht anders ging, einen alten Olivetti-Computer. Nicht genug damit, dass die Zeit auf diesen Behörden stehen geblieben war – sie war auch vor sehr langer Zeit stehen geblieben.
Solche Frusttage wurden jedoch Gott sei dank von Daniela und dem Mittelmeer aufs Herrlichste aufgelockert. Nachdem wir einen ganzen Vormittag angestanden waren, verbrachten wir den Nachmittag auf einem Boot und ließen uns von Bucht zu Bucht treiben. Der Anker wurde öfter ausgeworfen, als dass der Motor angeworfen wurde. Ich hatte meine Italienischlehrbücher dabei, und Daniela fragte mich ab, während ich um das Boot herumplanschte. Eine falsche Antwort kostete mich einen Kuss. Ich machte extra Fehler. Ein Nachmittag mit ihrer entdeckungslustigen Zunge machte den unglückseligen Vormittag, an dem ich mir ständig auf meine eigene gebissen hatte, locker wieder wett. Himmel und Hölle wechselten sich ab – und genauso sieht das Leben in Italien aus.
Die nächste Hürde, die ich nehmen musste, war das Ufficio del Lavoro , wo ich hoffentlich irgendwann meine Arbeitserlaubnis bekommen würde. Daniela war es irgendwie gelungen, dort eine Bekannte aufzutun, eine junge Frau, die selbst Erfahrung mit foreign affairs hatte. Ihre storia d’amore mit einem Amerikaner hatte Barzinis Herausforderung allerdings nicht standgehalten, und der junge Mann war in die Vereinigten Staaten zurückgekehrt. Wahrscheinlich engagierte sie sich nur deshalb für uns, weil sie neugierig war, ob es Daniela mit mir besser ergehen würde. Wie dem auch sei – Daniela war so klug gewesen, sich mit der Frau anzufreunden, die so freundlich war, uns eines Nachmittags in ihr Büro zu bitten, wo sie uns ihre ungeteilte Aufmerksamkeit schenkte.
Im Hochsommer befindet sich ganz Andrano um drei Uhr nachmittags im Tiefschlaf. Doch irgendjemand ist immer unterwegs. Da sein Schlafzimmer nur durch ein Fliegengitter von der Tankstelle getrennt ist, ist Signor Api stets bereit, herauszueilen und Benzin zu verkaufen. Wir hupten leise, um nicht den gesamten Ort aufzuwecken, und schon kam er in seiner üblichen Sommerkluft heraus: Er trug ein grünes Unterhemd voller Ölflecken, graue Shorts, die von einem Seil statt von einem Gürtel festgehalten wurden, und hatte abgelatschte Sandalen an den Füßen, deren Zehennägel dringend mal wieder gesäubert werden müssten. Wenn er vormittags beredt war, war er nachmittags regelrecht geschwätzig. Daniela machte den selbst gekelterten Wein dafür verantwortlich, den er zum Mittagessen trank und der so stark war, dass die meisten Dorfbewohner behaupteten, da könne man ebenso gut sein Benzin trinken. Er nahm
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