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Siesta italiana: Meine neue italienische Familie

Siesta italiana: Meine neue italienische Familie

Titel: Siesta italiana: Meine neue italienische Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Harrison
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merkt, dass jemand unglücklich ist, beunruhigt ihn das.« Ich versprach ihr, mein Bestes zu tun.
    »So, da wären wir«, sagte sie und zeigte auf einen unasphaltierten Weg, der einen Hügel hinaufführte. Während Daniela mir ins Lenkrad griff, um auf die Hupe zu drücken, holperten wir den Feldweg entlang, bis wir eine Lichtung erreichten, auf der ungefähr zwanzig schreiende und winkende Personen standen sowie eine Frau, die den Arm eines schweigsamen Mannes hielt.
    Der fröhliche Haufen hatte mich schon genauso sehnsüchtig erwartet wie Daniela. Sobald Napoleons Tür quietschend aufging, war ich auch schon in die Familie aufgenommen. Wir küssten uns durch die Menge, während mir Daniela Namen von Verwandten an den Kopf warf, deren Wangen mich Sekunden später erwarteten: »Zia Tina, Zio Tonio, Nonna Lina, Nonno Totò, Antonio, Fabio, Marisa, Sergio, Luisa, Salvatore, Lucia …« Die Gesichter kamen so schnell auf mich zu, dass ich kaum noch wusste, wo links und rechts war, bis ich Danielas 100 Kilo schweren Cousin Antonio in der Mitte entdeckte.
    Hinter der Meute wartete Danielas bärtiger Bruder Francesco. Manchmal hat ein fester Händedruck durchaus seine Vorzüge. Ich war schließlich nicht nach Italien gekommen, um Francesco zu küssen, ich war gekommen, um seine Schwester zu küssen.
    Valeria, die sich bei Franco eingehakt hatte, schenkte mir ein Lächeln, das ich nur mit Mühe erwidern konnte. Die geistige Abwesenheit ihres Mannes war schlimmer als seine körperliche Anwesenheit, und trotz Danielas Vorwarnungen, fiel es mir schwer, meine Betroffenheit zu verbergen. Daniela küsste die grauen Stoppeln auf den Wangen ihres Vaters. » Ciao papino «, sagte sie übertrieben euphorisch, als versuche sie, einem Baby ein Lächeln zu entlocken. Francesco runzelte die Stirn und murmelte ein unverständliches Wort. Doch obwohl er durch sie hindurchsah, glänzte eine Träne in seinem Auge, als er sich kurz an seine Tochter erinnerte.
    Valeria war Francescos Fels in der Brandung. Seine drahtigen Beine traten ständig auf der Stelle, und wenn sie ihn losgelassen hätte, wäre er bis zum Horizont gelaufen. Nachdem mich Daniela dazu ermutigt hatte, gab ich ihm meine Hand, über die er mit zwei Fingern strich. »Er malt«, sagte Valeria.
    Nach ein paar Pinselstrichen öffnete er die Augen, wandte abrupt den Kopf ab und sagte » si « zu einem eingebildeten Gesprächspartner. Das brach allen das Herz, bis auf Franco. Aber seine Familie lächelte tapfer.
    Bevor die Krankheit zuschlug, war Franco Lehrer, Künstler und Musiker gewesen. Als Künstler hatte er Ausstellungen in ganz Italien gehabt, als Musiker unterrichtete er Geige und Klavier, komponierte für Tischharfe und trat mit Mussolinis Sohn auf Jazzkonzerten in Mailand auf. Als er eines Sommers neben anderen beängstigenden Aussetzern plötzlich den Weg zum Ferienhaus nicht mehr fand, den er normalerweise blind gefunden hätte, merkte seine Familie das erste Mal, dass etwas nicht stimmte. Fünf Jahre nach jener falschen Abzweigung war Valeria nur noch die Krankenschwester ihres Mannes, der nicht mal mehr ihren Namen wusste.
    Die untersetzte Frau mit den rötlichen Haaren und rosigen Wangen hatte eine so helle Haut, dass der Sommer eine einzige Strapaze für sie war, aber sie war Strapazen gewohnt. Ihre beiden Kinder hatten ihren olivfarbenen Teint offensichtlich von Franco geerbt.
    »Willkommän«, sagte Valeria in vorher einstudiertem Englisch. »Möggesiewastringen?«
    Die Umstehenden lachten und applaudierten. »Bravissima! Bravissima!«
    Valerias sommersprossiges Gesicht wurde rot. » Andiamo dentro«, sagte sie mit ihrer normalen Stimme und bat mich herein, während sie die Hand hob, um die noch applaudierende Gruppe wieder zu beruhigen. Jetzt, wo Daniela den Arm ihres Vaters hielt, hakte sie sich bei mir unter. »Macht immer die Tür hinter euch zu, sonst läuft Franco weg«, sagte sie und führte mich durch das Tor eines Zementzauns, der Haus und Garten umgab. Die Verwandten kehrten in ihre diversen Häuser zurück, und wir fünf gingen hinein, Valeria zuerst, und dann Daniela mit Franco, während Francesco uns folgte und mit einem lauten Klicken das Tor schloss.
    Valeria sprach sehr schnell. Hätte Daniela sie nicht mehrfach gebeten, langsamer zu reden, hätte ich sie kaum verstanden. Doch viele Fragen, die ich ihr gern gestellt hätte – wie die, ob italienische Hausfrauen wirklich vier Besen auf einmal kaufen -, beantwortete sie mir, ohne ein Wort zu sagen.

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