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Siesta italiana: Meine neue italienische Familie

Siesta italiana: Meine neue italienische Familie

Titel: Siesta italiana: Meine neue italienische Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Harrison
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Das tun sie nämlich in der Tat: Einer lehnte an der Küchentür, während drei andere kopfüber an einem einsamen Olivenbaum in der Mitte des Gartens hingen. Wenn sie ausnahmsweise mal langsam sprach, gab Valeria mehr über den Charakter Siziliens preis als über ihren eigenen. Nachdem sie sich unseren Wunsch nach einem Bier und einem Glas Wasser angehört hatte, klapperte sie dermaßen lange und laut in der Küche herum, dass Daniela schließlich rief: »Lass das mit dem Bier, falls du keines finden kannst, mamma .«
    »Es ist nicht das Bier, das ich suche«, sagte mamma . »Es ist das Wasser.«
    Francesco verbrachte den Abend damit, sich zu pflegen. Er war drei Jahre jünger als Daniela und stellte – von seiner eng anliegenden Armani-Badehose einmal abgesehen – stolz seinen nackten Körper zur Schau. Sein Bonsai-Ziegenbärchen war mit Präzision gepflegt, und eine Tätowierung auf seiner Schulter buchstabierte irgendwas auf Japanisch. Als er zur Bar fuhr, um Mineralwasser zu holen, verbrachte er mehr Zeit damit, seine Frisur im Rückspiegel zu kontrollieren, als auf die Straße zu achten. Er tat wenig, um das Casanova-Klischee zu entkräften, das ich mit selbstgefälligen italienischen Männern verband. Er neigte dazu, zu schreien statt zu sprechen, und war völlig desinteressiert an allem, was andere zu sagen hatten. Wegen meiner mangelhaften Italienischkenntnisse verlor er schnell die Lust daran, sich mit mir zu unterhalten. In den seltenen Fällen, in denen er mich etwas fragte und ich antwortete, unterbrach er mich regelmäßig. Das machte mich nervös. Ich sprudelte Wörter hervor, die mir noch schwerfielen, und wählte natürlich die falschen. Ich wusste, dass ich Francescos Verhalten mir gegenüber nicht persönlich nehmen durfte – er war hyperaktiv und hatte mit niemandem Geduld. Trotzdem fühlte ich mich ein wenig gehemmt, was eigentlich schade war, wenn man bedenkt, wie sehr sich mein Italienisch mithilfe geduldigerer Zuhörer bereits verbessert hatte. Mein Verhältnis zu Francesco sollte sich noch als sehr komplex erweisen. Als mein Chef, mein Vermieter und selbst ernannter Bewacher seiner Schwester sollte er meine erste Zeit in Mailand sogar noch anstrengender finden als ich selbst.
    Und dann war da noch Franco, der liebenswerte Franco, der den ganzen Abend damit verbrachte, das Zimmer abzuschreiten und sich in seinen Ecken zu verlaufen. Daniela pflegte ihren Vater dann einfach umzudrehen, bis er wieder einen freien Fleck entdeckte und weitermarschierte. Hin und wieder stieß er einen Fluch aus oder sagte einem Möbelstück, es solle sich fortscheren. Er suchte nach kleinen Gegenständen, die er entweder woanders hinlegte oder in seine Taschen stopfte. Die Fernbedienung für den Fernseher lag in der Spüle und Danielas Autoschlüssel im Kühlschrank. Er hatte sie in die Butter gedrückt wie Merlin das Schwert Excalibur in den Felsen. Ich gewöhnte mich schnell an sein Hinundhergerenne. Er lief vor und zurück wie ein Pendel und genauso regelmäßig. Die Alzheimer-Erkrankung schwächte seinen Körper und beschämte seinen Geist. Doch immer wieder setzte er ein Lächeln auf, das den ganzen Raum erhellte. Damit teilte er uns, wenn auch nur kurz, mit, dass er noch wusste, was es bedeutet, glücklich zu sein.
    Eine wiedervereinte italienische Familie schwatzt bis spät in die Nacht. Es war zwei, als wir ins Bett gingen, oder besser, schwankten. Zio Tonio hatte als »Willkommänsgeschenk« einige Flaschen seines selbst gekelterten Weins mitgebracht.
    Unser Zimmer war eine Einliegerwohnung im Erdgeschoss. Der separate Eingang war über mehrere Steinstufen neben dem Haus zu erreichen. Zwischen den Terrakottatöpfen hindurch, die vor dem Fenster standen, konnte ich ins Tal und auf den Golf schauen, wo die Lichter von Frachtschiffen auf dem dunklen Tyrrhenischen Meer blinkten. Trotz geschlossener Türen hörte ich einen Schwarm Vespas am Strand, ihre aufheulenden Motoren und schreienden Fahrer. Aber nach zwei Tagen auf italienischen Straßen hielt mich nichts mehr wach. Ich schlief schon, bevor ich meine Matratze berührte, die vielleicht wie die Besen von einem fliegenden Händler gekauft worden war.
     
    Wir verbrachten eine Woche auf dem Hügel und versuchten zu faulenzen. Sieben drückend heiße Tage, die von schlaflosen Nächten getrennt wurden. Sieben Ferientage, die zeitlich genauestens strukturiert waren, obwohl Alcamos campana außer Hörweite war.
    Ich öffnete jeden Morgen die Tür, um dieselben

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