Siggi Baumeister 19 - Mond über der Eifel
eindringlich an.
»Nichts«, erwiderte er. »Absolut nichts.«
Sie ging nicht darauf ein, sie war nur unübersehbar zornig und stellte unsinnig ihre Tüten nach der Größe hintereinander auf dem Fußboden auf, als wolle sie schnell so etwas wie die Ordnung aller Dinge erreichen.
»Ich erzähle mal, was gelaufen ist«, bot ich hastig an.
»Lieber unterwegs«, kommentierte Emma tonlos. »Ich brauche erst mal ein Kölsch.« Ihr Gesicht war plötzlich grau, und sie starrte ihren Mann an, als habe sie ihn noch nie gesehen. Da war ein Schmerz in ihrem Gesicht, irgendetwas Erschreckendes ging vor sich.
»Die Frauen könnten in der Eifel irgendetwas essen«, schlug Rodenstock plötzlich vor, und seine Stimme war einwandfrei zittrig. Er stand sogar auf und sah umher, als suche er irgendetwas, als habe er etwas verloren.
»Bei Ben in Hillesheim oder Markus in Niederehe. Wir hatten ja schon eine Kleinigkeit, und es wäre vielleicht gut, wenn wir hier verschwinden würden. Und das alles hier gefällt mir nicht, und überhaupt will ich betonen, dass ich das nicht wollte. Überhaupt nicht!« Er lallte leicht, er wollte raus, er wollte weg aus dieser schönen Kneipe. Irgendetwas war mit ihm, er redete dummes, zusammenhangloses Zeug. Warum sollten die Frauen nicht eine Kleinigkeit essen? Was sollte das?
»Dann bezahle ich mal und treffe euch am Wagen«, sagte ich. »Geht schon mal, damit das schneller geht.« In der gleichen Sekunde dachte ich, dass ich auch sinnlos redete. Warum diese Eile? Was war mit Rodenstock? Was war mit Emma? Und wieso sagte Jennifer kein Wort, als gehöre sie nicht dazu? Und warum spürte ich plötzlich eine überschießende Angst, die mir die Luft nahm?
Sie gingen sehr schnell aus dem Lokal, und ich suchte den Kellner, der uns bedient hatte. Als ich ihn fand, skandierte er nach einem langen und abschätzenden Blick auf mich im tiefsten Kölsch: »Langsam, junger Mann, langsam, so schnell schießen die Preußen nicht.« Ich drückte ihm einen Fünfzigeuroschein in die Hand, obwohl das mit Sicherheit um einhundert Prozent zu viel war. Er bedankte sich hilflos, als ich schon an der Tür war.
Unter der Domplatte wusste ich nicht genau, wo unser Wagen stand, rechts oder links oder geradeaus, in diesem Friedhof der Blechelefanten glich jeder Winkel dem anderen. Dann sah ich Jennifer, die mit Tüten bepackt einem langsam rollenden Auto auswich. Ich rannte dorthin, als gehe es um mein Leben, und hätte mich jemand gefragt, was denn eigentlich los sei, dann hätte ich mit Sicherheit geantwortet: »Nichts!«
Emma saß am Steuer, Rodenstock neben ihr. Emma versuchte gerade mit hochrotem Gesicht, ihn anzuschnallen. Das wirkte irgendwie komisch, wie ein schlechter Slapstick, wie etwas Misslungenes. Und dabei senkte sich sein Kopf und hob sich wieder, senkte sich und hob sich wieder. Er schien nicht zu begreifen, dass seine Frau an ihm herumfummelte, es machte den Eindruck, als sei er ohnmächtig.
Ich setzte mich hinten hinein zu Jennifer, die ihre Lippen ganz fest aufeinanderpresste und ganz große, schreckhafte Augen hatte. »Was ist denn?«, fragte ich.
Niemand antwortete, Emma gab Gas und rauschte durch den Betonbunker. Ich wollte etwas sagen, ließ es dann aber. Dann war sie vor den Schranken der Ausfahrt, dahinter die Ampel. Sie musste halten, sie hielt aber nicht, die Ampel sprang auf Grün, Emma gab Gas und fuhr die Schranke zu Schrott, dann nach links unter die erste Bahnüberführung.
»Was ist?«, fragte Rodenstock jetzt wieder klar. »Was knallt da?« Dann lachte er höchst erheitert, dann senkte er den Kopf und es sah so aus, als schlafe er.
Emma nahm die Rheinuferstraße in Richtung Süden, und sie gab viel Gas. Sie fuhr rücksichtslos schnell, sie scherte auf die Standspur aus, gab Vollgas und musste dann wieder auf die Fahrbahn zurück, drei oder vier Fahrer hupten entsetzt.
»Was immer ist«, sagte ich laut. »Du musst uns nicht unbedingt alle gegen die Wand fahren. Was ist denn eigentlich los?«
Emma antwortete nicht, sie fuhr verbissen und starrte dauernd zu Rodenstock hin.
Der kicherte plötzlich und sagte: »Ich sehe in dieser Beziehung vollkommen klar.«
Jennifer legte ihre Hand auf meinen Oberschenkel und ihren Kopf an meine Schulter.
Emma raste bei Rot über eine Ampel, und wir hatten Glück, dass der Querverkehr so spät kam.
»Das muss doch nicht sein«, sagte ich hilflos.
Rodenstocks Kopf kam hoch, und er fragte: »Wieso fährst du so schnell?«
»Ich fahre doch gar nicht
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