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Siggi Baumeister 19 - Mond über der Eifel

Siggi Baumeister 19 - Mond über der Eifel

Titel: Siggi Baumeister 19 - Mond über der Eifel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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siebzig, er kam an das Ende seines Lebens. Vielleicht würde er sterben, vielleicht weiterleben, vielleicht ein Krüppel sein, vielleicht halbwegs leben, vielleicht vor sich hindämmern. Aber nichts würde mehr sein, wie es war.
    Ich begann mit ihm zu sprechen. Ich versicherte ihm auf ewig meine Liebe, ich beschimpfte ihn, ich verfluchte ihn, ich flehte ihn an zu leben und zurückzukommen, und ich betonte, ich hätte ihn oft enttäuscht und würde ihn nie mehr enttäuschen.
    Ich rannte in meinem Haus umher und muss in diesen Stunden zehn Pfeifen gestopft und angeraucht haben. Sie lagen überall herum wie Gepäckstücke, die man auf einer langen Reise verlor.
    Ich setzte mich an den Teich in den Garten, der Kater kam und sprang auf meinen Schoß. Ich nahm ihn und warf ihn brutal beiseite und wundere mich heute noch, dass ich ihn nicht einfach ins Wasser warf.
    Harry fiel mir ein. Mein einsamer Eremit, der es wie kein zweiter schaffen konnte, mich immer ganz schnell auf den Boden zurückzuholen. Ich schwang mich ins Auto, um mir eine Portion seiner unnachahmlichen Gelassenheit abzuholen. Aber das Glück hatte mich anscheinend vollends verlassen. Als ich mein Auto am Steinbruch zwischen Niederehe und Kerpen geparkt hatte, musste ich feststellen, dass Harry ausgerechnet heute einen seiner seltenen Ausflüge in die Zivilisation machte. An solchen Tagen wackelte er durch Kelberg oder Hillesheim, machte einen Schaufensterbummel und trug stolz seinen verbeulten Cowboyhut zur Schau.
    Für einen Moment überlegte ich, ob es klug war, auf seine Heimkehr zu warten, aber meine unglaubliche Unruhe ließ mich wieder ins Auto steigen. Dann zockelte ich so langsam es ging heim nach Dreis-Bruck. Ich hatte Angst davor, mit mir alleine zu sein.
    Später schaute mein Nachbar Rudi Latten über die Mauer und fragte, ob denn alles in Ordnung sei. Bei mir sei die ganze Nacht Licht, sie sähen mich im Haus umherlaufen, und ob sie denn etwas für mich tun könnten. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich ihm geantwortet habe. Ich erinnere mich, dass ich weinte, und Rudi Latten ganz still neben mir stand und gar nichts sagte, einfach nur da war und mir für Sekunden eine Hand auf die Schulter legte. Vielleicht sagte ich ihm, dass Rodenstock starb, aber ich kann mich auch daran nicht erinnern.
    Es war vier Uhr in der Frühe, als der Tag den ersten Lichtschimmer bekam und im Osten kleine, rosafarbene Wolken zu sehen waren.
    Jennifer rief an und stotterte fassungslos: »Ich konnte sie nicht aufhalten, sie hat einen Koffer gepackt und ist einfach weggefahren.«
    »Hat sie irgendetwas gesagt?«
    »Nein, hat sie nicht. Ich dachte, sie schlägt mich gleich, wenn ich noch ein Wort sage.« Sie weinte. »Hat denn das Krankenhaus angerufen?«
    »Das weiß ich nicht. Kann sein. Und was tun wir jetzt?«
    »Nichts«, sagte ich. »Wir können nichts tun.«
    »Ich halte das hier nicht mehr aus.«
    »Setz dich in Rodenstocks Auto und komm her.«
    »Ja.«
    Ich lief ins Haus und rief die Auskunft an. Ich musste diese Telefonnummer des Krankenhauses haben. Als ich sie hatte, versuchte ich die Chirurgie zu erreichen und erhielt die Antwort, da sei so früh niemand da.
    »Das kann nicht sein!«, brüllte ich wütend. »Mein Freund wird operiert.«
    »Sind Sie sicher?«, fragte die Frau ganz freundlich.
    »Ich bin sicher.«
    »Dann versuche ich es mal.«
    Sie versuchte es anscheinend, dann unterbrach sie das Gespräch, das Besetztzeichen kam. Wahrscheinlich war ich einfach ein Störenfried. Ich versuchte es erneut, und ich erwischte dieselbe Frauenstimme wieder. Sie sagte, sie könne niemanden erreichen und ob denn das mit meinem Freund wirklich so sei. Und es wäre sowieso unmöglich, die chirurgische Rufbereitschaft zu erreichen. Das sei nur innerbetrieblich möglich.
    »Leck mich doch!«, sagte ich. Ich wählte Emmas Handynummer, und sie meldete sich sofort.
    »Was ist?«, fragte ich.
    »Er ist operiert. Aber was sie operierten, weiß ich nicht. Sie sagen nur, dass sie leider die Herz-Lungen-Maschine gebraucht hätten, und dass das keine gute Auskunft sei. Sie gebrauchen diese Maschine nicht gern.« Ihre Stimme klang erstaunlich sachlich.
    »Wo bist du denn jetzt?«
    »Ich stehe vor dem Krankenhaus und laufe auf und ab und finde das Morgenlicht schön«, sagte sie. »Emma, du bist eine Wundertüte.«
    »So hast du mich noch nie genannt.« Sie lachte leise. »Ich rufe dich an, wenn ich irgendetwas erfahre. Er wird es irgendwie schaffen.«
    »Das musst du auch

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