Sigma Force 01 - Sandsturm
nicht anders.
An der Tür blieb Kara stehen und schaute noch einmal hinüber zu dem Dunst über London im milchigen Licht der aufgehenden Sonne. Sie suchte in ihrem Herzen nach einem Abschiedsschmerz. Aber sie fand nichts außer Sand. Das hier war nicht ihr wahres Zuhause. War es nie gewesen.
Sie wandte London den Rücken zu und stieg ein.
Ein Mann in Uniform beugte sich aus der Flugzeugtür. »Ma’am, wir haben vom Tower Starterlaubnis. Wir können, wenn Sie wollen.«
Sie nickte. »Sehr gut, Benjamin.«
Während hinter ihr die Tür verriegelt wurde, betrat sie die Hauptkabine. Der Lear war nach ihren persönlichen Bedürfnissen eingerichtet worden. Vier intime Sitzgruppen aus Leder und poliertem Walnussholz bildeten das Zentrum. Frische Blumen steckten in Vasen aus Waterford-Kristallglas, die auf den Beistelltischen befestigt waren. Eine lange Mahagonibar, eine Antiquität aus Liverpool, stand, gut bestückt, am hinteren Ende der Kabine. Hinter der Bar führte eine Doppelfalttür in Karas privates Arbeits- und Schlafzimmer.
Sie gestattete sich ein selbstzufriedenes Lächeln, als sie Painter Crowes hochgezogene Augenbrauen beim Betrachten der Kabine sah. Ganz offensichtlich war er bei seinem Physikergehalt einen solchen Luxus nicht gewohnt, auch wenn die Arbeit für die Regierung ihm zusätzliche Einkünfte bescherte. Der Butler der Maschine brachte ihm einen Drink. Mineralwasser mit Eis, wie es aussah. Sein Glas klimperte, als er sich umdrehte.
»Was … keine in Honig gerösteten Erdnüsse?«, murmelte er im Vorübergehen. »Ich dachte, wir fliegen erster Klasse.«
Ihr Lächeln wurde schal, als er durch die Kabine ging und sich neben Dr. Novak setzte. Respektloser Mistkerl …
Auch alle anderen nahmen ihre Plätze ein, als der Pilot den Start ankündigte. Safia saß alleine. Ihr Doktorand, Clay Bishop, saß bereits angeschnallt auf der anderen Seite der Kabine, das Gesicht gegen ein Fenster gepresst. Er trug Kopfhörer, die mit einem iPod auf seinem Schoß verbunden waren, und interessierte sich nicht für seine Umgebung.
Da alles bereit war, ging Kara zur Bar. Ihr gewohnter Drink wartete bereits auf sie: ein gekühltes Glas Chardonnay. Er kam von St. Sebastian, einem französischen Weingut. An ihrem sechzehnten Geburtstag hatte man Kara ihren ersten Schluck gestattet, am Morgen des Jagdausflugs. Seitdem erhob sie jeden Morgen ihrem Vater zu Ehren ein Glas. Sie schwenkte das Weinglas und atmete das frische Bouquet ein, ein Hauch von Pfirsich und Eiche. Auch nach so vielen Jahren brachte dieser Geruch sie sofort zu diesem Morgen zurück, der so viel versprechend begonnen hatte. Sie konnte das Lachen ihres Vaters hören, das Schreien der Kamele in der Entfernung, das Flüstern des Windes bei Sonnenaufgang.
So dicht dran jetzt … nach so langer Zeit …
Sie trank langsam und spülte die lästige Trockenheit aus ihrem Mund. In ihrem Kopf sirrte die überscharfe Klarheit der beiden Pillen, die sie gleich nach dem Aufstehen vor zwei Stunden eingenommen hatte. Als sie das Glas hob, spürte sie das leichte Zittern ihrer Finger an den Lippen. Man sollte verschreibungspflichtige Medikamente nicht mit Alkohol mischen. Aber es war ja nur das eine Glas Chardonnay. Und das war sie ihrem Vater schuldig.
Sie senkte das Glas und merkte, dass Safia sie beobachtete. Ihr Gesicht war unergründlich, aber aus ihren Augen sprach Besorgnis. Kara begegnete ihrem Blick und schaute sie unverwandt an. Schließlich wandte Safia sich ab, um zum Fenster hinauszusehen.
Sie hatten keine Worte des Trostes füreinander. Nicht mehr.
Die Wüste hatte ihnen einen Teil ihres Lebens, einen Teil ihres Herzens gestohlen. Und nur da draußen in den Dünen konnten sie sie wiederfinden.
11:42
Maskat, Oman
Omaha stürmte durch die Tür des Ministeriums für das Nationale Erbe.
Die zurückschwingende Tür hätte seinen Bruder Danny, der hinter ihm herlief, beinahe ins Gesicht getroffen. »Omaha, beruhige dich.«
»Verdammte Bürokraten …« Er setzte seine Tirade draußen auf der Straße fort. »Hier braucht man sogar ’ne beschissene Genehmigung, um sich den Hintern abzuwischen.«
»Du hast doch, was du wolltest«, sagte Danny in besänftigendem Tonfall.
»Hat aber den ganzen verdammten Vormittag gedauert. Und diese Genehmigung, Benzin an Bord der Rover mitzuführen – um beschissenes Benzin mitzuführen! –, haben wir nur gekriegt, weil Adolf bin Arschloch sein verdammtes Mittagessen wollte!«
»Beruhige dich.« Danny fasste ihn am
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