Sigma Force 01 - Sandsturm
rechts«, sagte er auf Arabisch, weil er hoffte, so die Verfolger entweder abzuschütteln oder aber die Bestätigung zu bekommen, dass sie tatsächlich verfolgt wurden.
Der Fahrer ignorierte ihn und fuhr geradeaus weiter.
Omaha verspürte eine leichte Panik. Er zog am Türgriff. Verschlossen.
Sie fuhren an der Abzweigung zum Flughafen vorbei.
Noch immer kam Bach aus den Lautsprechern.
Er riss noch einmal am Türgriff.
Mist.
12:04
Über dem Mittelmeer
Safia starrte in das Buch auf ihrem Schoß, doch die Zeilen verschwammen. Seit einer halben Stunde hatte sie nicht mehr umgeblättert. Ihre Nerven lagen bloß vor Anspannung. Ihre Schultermuskeln verkrampften sich, und ein dumpfer Kopfschmerz verursachte ein Ziehen in den Zähnen.
Sie schaute zum Fenster hinaus in den sonnenhellen blauen Himmel. Eine riesige leere Leinwand. Es war, als würde sie ein Leben verlassen und auf ein zweites zueilen.
Was in vielerlei Hinsicht ja auch stimmte.
Sie ließ London hinter sich, ihre Wohnung, die Steinmauern des British Museum, alles, was sie in diesen vergangenen zehn Jahren als Sicherheit betrachtet hatte. Aber diese Sicherheit hatte sich als Illusion erwiesen, so zerbrechlich, dass sie in einer einzigen Nacht zerstört werden konnte.
Wieder einmal hatte sie Blut an den Händen. Wegen ihrer Arbeit.
Ryan …
Safia konnte das kurze Aufblitzen von Überraschung in seinen Augen nicht vergessen, als diese Kugel ihn aus dem Leben riss. Auch Wochen danach verspürte sie noch den Drang, sich immer wieder das Gesicht zu waschen, manchmal sogar mitten in der Nacht. Mit Kernseife und Wasser. Doch nichts konnte die Erinnerung an das Blut wegwaschen. Und obwohl Safia natürlich wusste, dass die Sicherheit Londons nur eine Illusion war, war die Stadt doch zu ihrem Zuhause geworden. Sie hatte dort Freunde, Kollegen, einen Lieblingsbuchhändler, ein Kino, das alte Filme spielte, ein Café, das einen perfekten Karamell-Cappuccino servierte. Ihr Leben war von den Straßen und Zügen Londons umrissen.
Und dann war da noch Billie. Safia hatte ihren Kater bei Julia, einer pakistanischen Botanikerin, die unter ihr wohnte, in Pflege geben müssen. Vor ihrer Abreise hatte sie dem Kater Versprechen ins Ohr geflüstert, Versprechen, die sie zu halten hoffte.
Trotzdem machte Safia sich Sorgen, Sorgen, die ihr tiefstes Innerstes anrührten. Ein Teil ihrer Ängste war unerklärlich, nur eine überwältigende dunkle Vorahnung. Aber die meisten waren es nicht. Sie sah sich in der Kabine um. Was, wenn sie alle endeten wie Ryan, zuerst im Leichenschauhaus und dann begraben auf einem kalten Friedhof beim ersten Schnee dieses Winters.
Damit kam sie einfach nicht zurecht.
Schon der Gedanke daran ließ ihre Eingeweide zu Eis erstarren. Das Atmen fiel ihr schwer. Die Hände zitterten. Safia kämpfte gegen die aufsteigende Panik an, als sie das vertraute Herandrängen spürte. Sie konzentrierte sich aufs Atmen, auf die Außenwelt, um sich nicht mehr mit ihrer verängstigten Mitte beschäftigen zu müssen.
Das eintönige Brummen der Triebwerke hatte alle anderen in der Kabine dazu verleitet, ihre Rückenlehnen zu verstellen und während des Flugs nach Süden ein wenig Schlaf nachzuholen. Sogar Kara hatte sich in ihre Privaträume zurückgezogen – aber nicht, um zu schlafen. Gedämpftes Flüstern drang durch die Türen. Kara bereitete ihre Ankunft vor und klärte noch letzte Details. Schlief sie eigentlich überhaupt noch?
Ein Geräusch ließ Safia den Kopf drehen. Painter Crowe stand neben ihrem Sessel, als wäre er aus dem Nichts aufgetaucht. Er hatte ein großes Glas Eiswasser in einer Hand und hielt ihr mit der anderen einen winzigen Kristallschwenker mit einer braunen Flüssigkeit hin. Bourbon, dem Geruch nach. »Trink das.«
»Ich mag so früh keinen …«
»Trink’s einfach. Nicht nur nippen. Kippen.«
Sie hob die Hand und nahm das Glas, mehr aus Angst, der Schnaps könnte verschüttet werden, denn weil sie große Lust darauf gehabt hätte. Bis auf ein kurzes Dankeschön nach ihrer Rettung hatten sie seit dieser Blutnacht nicht mehr miteinander gesprochen.
Er setzte sich neben sie und deutete auf das Glas. »Na los.«
Sie widersprach nicht, sondern hob das Glas und trank. Die Flüssigkeit brannte in der Kehle, stieg ihr in die Nase und breitete sich als feurige Wärme in ihrem Bauch aus. Sie reichte ihm den Schwenker zurück.
Er gab ihr stattdessen das Glas mit Wasser. »Mineralwasser mit Zitrone. In kleinen Schlucken.«
Sie umfasste
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